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Hebel, "Wirtszeche" einfach erklärt

Johann Peter Hebel, "Eine sonderbare Wirtszeche" - einfach erklärt

Viele schöne alte Geschichten sind heute kaum noch verständlich. Dies gilt besonders für die Kalendergeschichten von Johann Peter Hebel.
Wir versuchen im Folgenden, entsprechende Hilfen zu geben, indem wir erläuternde Zwischenüberschriften einfügen und einzelne Stellen auch in modernes Deutsch übertragen.
Auf jeden Fall finden wir, dass Johann Peter Hebel es verdient hat, heute auch noch gelesen und verstanden zu werden.

Johann Peter Hebel

Eine sonderbare Wirtszeche.

[Einleitung: Allgemeine Lebensweisheit mit Überleitung zu dem aktuellen Fall]
Manchmal gelingt ein mutwilliger Einfall, manchmal kostet's den Rock, oft sogar die Haut dazu. Diesmal aber nur den Rock.
Manchmal funktioniert eine ziemlich freche Idee, manchmal muss man dafür mit Kleidung bezahlen, oft sogar mit der Haut (die dann gegerbt, also geprügelt wird). Diesmal kostet es nur die Kleidung.

[Die Ausgangssituation: Drei Studenten ohne Geld gönnen sich trotzdem ein gutes Essen ]
Denn obgleich einmal drei lustige Studenten auf einer Reise keinen roten Heller [nicht mal mehr Kleingeld] mehr in der Tasche hatten, alles war verjubelt (für schöne Dinge ausgegeben), so gingen sie doch noch einmal in ein Wirtshaus und dachten, sie wollten sich schon wieder hinaushelfen und doch nicht wie Schelmen (altes Wort für Verbrecher) davonschleichen, und es war ihnen gar recht, daß die junge und artige (geschickte) Wirtin ganz allein in der Stube war.

[Das scheinbar kluge Gespräch der drei Studenten über große Zeiträume]
Sie aßen und tranken gutes Mutes und führten miteinander ein gar gelehrtes Gespräch, als wenn die Welt schon viele tausend Jahre alt wäre und noch ebenso lang stehen würde, und dass in jedem Jahr, an jedem Tag und in jeder Stunde des Jahres alles wieder so komme und sei, wie es am nämlichen Tag und in der nämlichen (in der gleichen) Stunde vor sechstausend Jahren auch gewesen sei.

[Behauptung, sie seien vor 6000 Jahren schon mal da gewesen]
»Ja,« sagte endlich einer zur Wirtin – die mit einer Strickerei seitwärts am Fenster saß und aufmerksam zuhörte – »ja, Frau Wirtin, das müssen wir aus unseren gelehrten Büchern wissen.« Und einer war so keck (dreist) und behauptete, er könne sich wieder dunkel erinnern, dass sie vor sechstausend Jahren schon einmal dagewesen seien, und das hübsche freundliche Gesicht der Frau Wirtin sei ihm noch wohl bekannt.

[Die Studenten fühlen sich immer sicherer und essen immer mehr - am Ende müssen sie ziemlich viel bezahlen.]
Das Gespräch wurde noch lange fortgesetzt, und je mehr die Wirtin alles zu glauben schien, desto besser ließen sich die jungen Schwenkfelder (Bezeichnung für die Studenten) den Wein und Braten und manche Brezel schmecken, bis eine Rechnung von 5 fl. 16 kr. auf der Kreide stand (zu bezahlen war). Als sie genug gegessen und getrunken hatten, rückten sie mit der List heraus, worauf es abgesehen war (die sie sich ausgedacht hatten).

[Die Studenten versuchen, um das Bezahlen herumzukommen. Sie wollen erst beim angeblich nächsten Besuch in 6000 Jahren bezahlen]
»Frau Wirtin,« sagte einer, »es steht diesmal um unsere Batzen (um unser Geld) nicht gut, denn es sind der Wirtshäuser zu viele an der Straße (es gibt hier zu viele Gaststätten). Da wir aber an Euch eine verständige (kluge) Frau gefunden haben, so hoffen wir als alte Freunde hier Kredit zu haben (dass wir hier Schulden machen können), und wenn's Euch recht ist, so wollen wir in sechstausend Jahren, wenn wir wieder kommen, die alte Zeche (Geld für das Essen) samt der neuen bezahlen.«

[Die Wirtin geht scheinbar darauf ein. Sie will aber jetzt schon mal das Geld von dem angeblichen Besuch vor 6000 Jahren haben.]
Die verständige Wirtin nahm das nicht übel (negativ) auf, war's vollkommen zufrieden und freute sich, daß die Herren so vorlieb genommen (dass die Herren bei ihr gewesen waren), stellte sich aber unvermerkt vor die Stubentüre und bat, die Herren möchten nur so gut sein und jetzt einstweilen die 5 fl. 16 kr. (5 Gulden und 16 Kronen, eine ziemlich hohe Summe) bezahlen, die sie vor sechstausend Jahren schuldig geblieben seien, weil doch alles schon einmal so gewesen sei, wie es wieder komme.

[Es trifft Verstärkung für die Wirtin ein und es wird ein Urteil gefällt.]
Zum Unglück trat eben der Vorgesetzte des Ortes (Bürgermeister) mit ein paar braven (tapferen, starken) Männern in die Stube, um miteinander ein Glas Wein in Ehren (auf anständige Art und Weise) zu trinken. Das war den gefangenen Vögeln (Bezeichnung für Kriminelle, die geschnappt worden sind) gar nicht lieb. Denn jetzt wurde von Amts wegen das Urteil gefällt und vollzogen: Es sei aller Ehren wert, wenn man sechstausend Jahre lang geborgt habe. Die Herren sollten also augenblicklich ihre alte Schuld bezahlen oder ihre noch ziemlich neuen Oberröcke in Versatz geben. (Es sei in Ordnung, wenn man 6000 Jahre lang Geld geliehen hätte. Jetzt sollten die Studenten die alte Schuld bezahlen oder ihre noch ziemlich neuen Mäntel als Pfand da lassen.)

[Die Wirtin erklärt, sie würde beim nächsten Besuch in 6000 Jahren den Studenten die Mäntel wieder zurückgeben, wenn sie dann bezahlen.]
Dies letzte musste geschehen, und die Wirtin versprach, in sechstausend Jahren, wenn sie wieder kommen und besser als jetzt bei Batzen seien, ihnen alles, Stück vor Stück, wieder zuzustellen. (ihnen, wenn sie in 6000 Jahren wieder kämen und genügend Geld hätten, ihnen die Mäntel wiederzugeben.)

[Hinweis, wann der Vorfall wirklich geschehen sein soll.]
Dies ist geschehen im Jahr 1805 am 17. April im Wirtshause zu Segringen.

Zusammenfassung des Inhalts:
In der Geschichte geht es um drei Studenten, die versuchen mit einem Trick um das Bezahlen ihres Essens in einem Restaurant herumzukommen. Sie behaupten, dass sie ja schon vor 6000 Jahren mal da gewesen seien. Statt zu bezahlen, wollen sie das erst bei ihrem nächsten Besuch in 6000 Jahren erledigen. Die Wirtin scheint damit einverstanden zu sein, fordert sie dann aber auf, jetzt wenigstens die Schulden vom letzten Besuch zu begleichen. Da sie von dem Ortsvorsteher und einigen weiteren Männern Unterstützung bekommt, müssen die Studenten schließlich zumindest ihre Mäntel als Pfand da lassen.

Die Geschichte zeigt, dass manche Leute sich in ihren eigenen Lügen und Tricks verfangen, wenn sie auf jemanden treffen, der auch für sich das Beste draus macht und außerdem noch das Glück hat, dass Hilfe dazukommt.

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