Nikolaus Lenau, "Der Maskenball" - zwischen Sehnsucht und Exil

Nikolaus Lenau

Der Maskenball (Auszug)

01 Dort im härenen Gewande,

02 Mit Sandal und Muschelhut,

03 Wie entrückt in ferne Lande,

04 Über Berg' und Meeresflut –

05 Steht ein Pilger: seine Träume

06 Säuseln ihm wie Palmenbäume,

07 Zaubern ihn zum heilgen Grabe,

08 Seines Glaubens liebster Habe. –

• Im ersten acht Zeilen wird jemand vorgestellt, der sich in der Maske eines Pilgers präsentiert.
• Zunächst gibt es eine kurze Beschreibung seiner fadenscheinigen Kleidung, seiner bescheidenen Fußbekleidung und eines Hutes, der als Zeichen der Pilgerschaft die Muschel trägt (wohl die Jakobsmuschel).
• Dann beschreibt das lyrische Ich seinen Eindruck von der inneren Haltung dieses Pilgers, die ganz auf die Ferne ausgerichtet ist und dort auch auf einen sehr konkreten Ort, nämlich das Heilige Grab in Jerusalem. Dies wird auch in der letzten Zeile als ein besonders wichtiger Ort für die Christenheit hervorgehoben.

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09 Seid willkommen mir, Matrosen!

10 Nehmt mich auf in eurem Schiffe!

11 Frisch hinaus ins Meerestosen,

12 Durch die flutbeschäumten Riffe!

• Ab Zeile 9 geht es um die Bereitschaft zum schnellen Aufbruch, die in einer Art Appell an die Matrosen eines Schiffes präsentiert wird.
• Interessant ist, dass es hier weniger um das Ziel geht als um die Abenteuer und Erlebnisse der Reise.

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13 Ha! schon seh ich Möwen ziehn,

14 Wetterwolken seh ich jagen,

15 Und die Stürme hör ich schlagen;

16 Süße Heimat, fahre hin!

• Die Zahlen 13-16 zeigen ein paar fantasievolle Vorwegnahmen von Reiseerlebnissen und am Ende die klare Bereitschaft, dem gegenüber die Heimat aufzugeben, auch wenn sie als süß bezeichnet wird.

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17 Nach der Freiheit Paradiesen

18 Nehmen wir den raschen Zug,

19 Wo in heilgen Waldverliesen

20 Kein Tyrann sich Throne schlug.

• Die Zeilen 17-20 verändern die Atmosphäre ins Politische hinein: Hier geht es plötzlich um Freiheit und die Entfernung von Tyrannen.
• Wenn man sich ein bisschen auskennt und auch die Lebensdaten und die Biografie des Verfassers hinzunimmt, kann man davon ausgehen, dass hier die politischen Kämpfe im Vormärz (vor 1848) im Hintergrund stehen.

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21 Weihend mich mit stillem Beten,

22 Will den Urwald ich betreten,

23 Wandern will ich durch die Hallen,

24 Wo die Schauer Gottes wallen;

25 Wo in wunderbarer Pracht

26 Himmelwärts die Bäume dringen,

27 Brausend um die keusche Nacht

28 Ihre Riesenarme schlingen.

• In den Zeilen 21-28 wird dann der Urwald als Ort der Freiheit gesungen.
• Das geschieht aber immer noch in der Haltung und der Denkweise eines Pilgers mit entsprechenden religiösen Bezügen.

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29 Dort will ich für meinen Kummer

30 Finden den ersehnten Schlummer;

31 Will vom Schicksal Kunde werben,

32 Daß es mir mag anvertrauen

33 In der Wälder tiefem Grauen,

34 Warum Polen mußte sterben.

35 Und der Antwort will ich lauschen

36 In der Vögel Melodeien,

37 In des Raubtiers wildem Schreien

38 Und im Niagararauschen.

• Im Schlussteil des Textes geht es um den Kummer dieses Pilgers, der sich vor allem auf ein konkretes Ereignis bezieht, nämlich die Niederschlagung eines Aufstandes in Polen.
• Das lyrische Ich erhofft sich hier eine Antwort und die kann sicherlich nur in einer Kombination aus Ablenkung, Vergessen, vielleicht auch Verarbeitung mit dem Ziel neuer Lebensfreude bestehen.

Zusammenfassung:

Insgesamt ein Gedicht, das im seltsamen Umfeld eines Maskenballs den Kummer eines Menschen beschreibt
zwischen Sehnsucht nach einem heiligen Ort und einem Ort, in dem man vorgeblich Antwort, wohl eher aber Vergessen finden kann, was eine negative politische Erfahrung angeht.

Bewusst im unklaren gelassen wird der Leser in diesem Abschnitt darüber, inwieweit sich das lyrische Ich hier in die Gefühls- und Gedankenwelt eines anderen versucht hinein zu versetzen oder aber diesen anderen nur als Ablagemöglichkeit für das nutzt, was es  selbst beschäftigt und ihm möglicherweise auch Kummer macht.

Unter dem Aspekt des Reisens geht es hier vor allem um zwei unterschiedliche Ziele Vorstellungen, in die man sich hineinfantasiert, zum anderen um bestimmte Vorstellungen von der Natur.

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