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Wie schreibt man einen "inneren Monolog" - am Beispiel von Kleists Novelle "Die Marquise von O...."


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Zu diesem Thema haben wir auch ein Youtube-Video veröffentlicht.
Es ist unter dieser Adresse zu finden:
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Erläuterungen zum Thema

Ein innerer Monolog ist nichts anderes als eine mehr oder weniger struktuierte Wiedergabe der Gedanken einer Figur. Meistens kommt da in kürzester Zeit viel zusammen, denn man denkt nun mal schneller als man sprechen kann.

Wichtig ist, sich in die Lage der Figur zu versetzen, deren Gedanken man wiedergeben soll.
Dazu gehört besonders die unmittelbare Situation, in der sie sich befindet.
Die Zukunft kann auch eine Rolle spielen, aber nur so, wie sie sich die Figur zu dem Zeitpunkt vorstellen kann.
Besonders hier wird es interessant, weil die Gedanken durchaus in eine ganz andere Richtung gehen können, als der Verfasser es sich ausgedacht hat.

Spielen wir das an einem Beispiel mal durch:
Wir nehmen den Moment, in dem die Marquise das elterliche Haus verlassen muss.

Jetzt müssen wir zusammentragen, welche Punkte des Inhalts bei den Gedanken eine Rolle spielen können:

  1. Sicherlich als erstes das unmittelbare Gefühl: "Das darf doch wohl nicht wahr sein."
    Hier muss man aufpassen, dass man die Zeit berücksichtigt, in der die Novelle spielt. Damals waren Frauen noch ziemlich abhängig von der Familie und konnten nicht einfach ein selbstbestimmtes Leben führen.
  2. Der nächste Gedanken wird sicher sein: "Was soll ich jetzt machen?"
    Hier kann man natürlich schon die Lösung vorwegnehmen, die dann gefunden wird, denn die Marquise weiß natürlich, dass es noch andere Häuser gibt, die der Familie gehören und in die sie sich zurückziehen kann.
  3. Dann wird sie anfangen, über ihr weiteres Schicksal nachzudenken: Sie geht Freunde und Verwandte durch und entschließt sich dann zur Einsamkeit.
  4. Dann überlegt sie, ob sie eine Chance hat, sich ihrer Familie wieder anzunähern.
  5. Vor allem aber wird sie überlegen, was es mit dieser Schwangerschaft auf sich hat.
Insgesamt merkt man jetzt schnell, dass ein innerer Monolog nicht so recht zu Kleists Novelle passt - denn dort wird ja alles Wesentliche eigentlich schon gesagt. Hier muss man sich also ggf. beschränken, damit es an die entsprechende Stelle passt.
Was am ehesten noch geht, dass man den inneren Monolog auf einige spezielle Textstellen bezieht, die von Kleist nicht weiter berücksichtigt werden. Allerdings sollte man sich vor allzu viel Interpretation hüten.

Außerdem passt der Erzählbaustein "Innerer Monolog" noch gar nicht in die Zeit von Kleist. Dort wurden die Gedanken der Marquise in erlebter Rede wiedergegeben. Deshalb präsentieren wir hier mal zwei Varianten.

Jetzt müssen wir noch die Stelle finden, an der man den Inneren Monolog am besten unterbringen kann.

"Kaum war die Hebamme aus dem Zimmer, als ihr ein Schreiben von der Mutter gebracht ward, in welchem diese sich so ausließ: Herr von G.... wünsche, unter den obwaltenden Umständen, dass sie sein Haus verlasse. Er sende ihr hierbei die über ihr Vermögen lautenden Papiere, und hoffe dass ihm Gott den Jammer ersparen werde, sie wiederzusehen: - Der Brief war inzwischen von Tränen benetzt; und in einem Winkel stand ein verwischtes Wort: diktiert. - Der Marquise stürzte der Schmerz aus den Augen. "

Innerer Monolog:
Noch schlimmer waren die Gedanken, die ihr durch den Kopf rasten: Meint der Vater das wirklich ernst. Kann er mich, seine einzige Tochter so einfach verstoßen. Zählt denn überhaupt nicht mehr, was ich insgesamt bin, was ich in meinem bisherigen Leben geleistet habe. Dann die Kinder - es sind doch auch seine Enkel. Nun immerhin - er bemüht sich um ein bisschen Fairness und lässt mir zumindest meinen Anteil am Familienvermögen. Ich kann mich also wenigstens ernähren - und vor allem für die Kinder weiter eine gute Mutter sein. Jetzt muss ich erst mal einen Ort finden, an dem wir leben können. Ich muss auch überlegen, wie ich mich weiter verhalten soll. Nun, eine Hoffnung bleibt mir. Die Entscheidung ist dem Vater nicht leichtgefallen, er scheint geweint zu haben - und hat auch das Schreiben gar nicht selbst verfasst. Vielleicht braucht er auch noch etwas Zeit und beruhigt sich wieder. Schlimmer war eigentlich die Mutter - was waren das für ungeheuerliche Worte: "nichtswürdig" und "verflucht" - ich weiß nicht, ob ich dir das jemals vergeben kann. Am besten - ich spreche direkt mit ihr noch mal drüber, vielleicht ist sie ja schon wieder zur Vernunft gekommen.

Erlebte Rede:
Noch schlimmer waren die Gedanken, die ihr durch den Kopf rasten: Meinte der Vater das wirklich ernst. Konnte er sie, seine einzige Tochter so einfach verstoßen. Zählte denn überhaupt nicht mehr, was sie insgesamt war, was sie in ihrem bisherigen Leben geleistet hatte. Dann die Kinder - es waren doch auch seine Enkel. Nun immerhin - er bemühte sich um ein bisschen Fairness und ließ ihr zumindest ihren Anteil am Familienvermögen. Sie konnte sich also wenigstens ernähren - und vor allem für die Kinder weiter eine gute Mutter sein. Jetzt musste sie erst mal einen Ort finden, an dem sie leben konnten. Sie musste auch überlegen, wie sie sich weiter verhalten sollte. Nun, eine Hoffnung blieb ihr. Die Entscheidung war dem Vater nicht leichtgefallen, er schien geweint zu haben - und hatte auch das Schreiben gar nicht selbst verfasst. Vielleicht brauchte er auch noch etwas Zeit und beruhigte sich wieder. Schlimmer war eigentlich die Mutter - was waren das für ungeheuerliche Worte gewesen: "nichtswürdig" und "verflucht" - sie wusste nicht, ob sie ihr das jemals vergeben konnte. Am besten - sie sprach direkt mit ihr noch mal drüber, vielleicht war ist sie ja schon wieder zur Vernunft gekommen.

Anmerkung zur Lösung:
Man sieht deutlich, dass man sich in diesem Falle auf ganz wenig konzentrieren muss, um die weitere Erzählung nicht zu stören.
Wichtig ist, dass die unmittelbar wirkenden Dinge aufgenommen werden - und am Ende ein richtiger Anschluss zum weiteren Gang der Handlung gegeben ist.

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