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Akt1: "Kabale und Liebe"


I. Akt - Exposition

Im I. Akt eines fünfaktiven Dramas wird immer erst mal geklärt, worum es überhaupt geht. Dabei spielt meist ein zentraler Konflikt eine Rolle. In diesem Falle ist es ein unstandesmäßige Liebe, die den Mächtigen ihrer Zeit in die Quere kommt.

Hier zunächst eine Übersicht der wichtigsten Textstellen, die weiter unten in den Szenenbeschreibungen genauer erklärt werden.

Hinweis auf das zugehörige Youtube-Video

Hierzu gibt es auf Youtube auch ein Video, das man sich hier anschauen kann:

Videolink

https://youtu.be/REEwr4LfoAk
Die Dokumentation kann hier heruntergeladen bzw. angeschaut werden:

Szene I,1: Die Exposition –Teil 1 des Problems: Ein Vater macht sich Sorgen!

Das Problem: Die Tochter hat sich in einen Adligen „verguckt“
  • Gleich am Anfang der Szene wird klar, wo das Problem ist:
  • Miller (schnell auf- und abgehend). Einmal für allemal! Der Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und kurz und gut, ich biete dem Junker aus.
  • Der Vater in dieser Familie, ein einfacher Bürger, der sich als Musiklehrer sein Brot verdient, ist in starker Erregung und will einem Problem ein Ende machen. Das besteht darin, dass seine Tochter mit einem Baron, also einem Adligen „ins Geschrei“ kommt, d.h. die Leute sich darüber aufregen. Wenn dann auch noch der mächtige „Präsident“ davon etwas erfährt ... das wird gar nicht zu Ende gedacht. Lieber macht man kurzen Prozess und weist den „Junker“, den jungen adligen Herrn aus dem Haus.
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Das kann nach Auffassung des Vaters nur schlimm enden
  • Weiter unten wird dann auch deutlich, warum das für Miller die einzige Lösung ist:
  • Nehmen kann er das Mädel nicht – Vom Nehmen ist gar die Rede nicht, und zu einer – daß Gott erbarm? – Guten Morgen! – Gott, wenn so ein Musje von sich da und dort, und dort und hier schon herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiß! was als? gelöst hat, schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf süß Wasser zu graben. Gib du Acht! gib du Acht! und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Mädel Eins hinsetzen und führt sich ab, und das Mädel ist verschimpfiert auf ihr Lebenlang, bleibt sitzen, oder hat's Handwerk verschmeckt, treibt's fort. (Die Hand vor der Stirn) Jesus Christus!
  • Auf gut Deutsch: Heiraten kann der Baron das einfache Mädchen nicht. Mit Schrecken denkt dann Miller daran, dass es zu sexuellen Handlungen kommen könnte ohne die Ordnung einer Ehe. Am Ende steht für ihn nur ein uneheliches Kind – die junge Mutter hat ihren guten Ruf verloren, wird sitzengelassen oder gleitet sogar in die Prostitution ab.
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Bücher haben die Tochter angeblich verdorben
  • Ein großes Problem sieht Miller in den Büchern, die der Adlige seiner Tochter zum Lesen gegeben hat.
  • Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die rohen Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart. – Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche der Belletristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark. Da saugt mir das Mädel – weiß Gott, was als für? – überhimmlische Alfanzereien ein, das läuft dann wie spanische Mucken ins Blut und wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag' ich. Das Mädel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; über all dem Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der Geiger ist, und verschlägt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt hätte – – Nein! Gott verdamm mich! (Er springt auf, hitzig.) Gleich muß die Pastete auf den Herd, und dem Major – ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat.
  • Er hält das alles für „Teufelsgezeug“, das am Ende einen „wackern ehrbaren Schwiegersohn“ vertrieben hätte, „der sich so warm“ in seine Kundschaft eingefügt, also zu seinem Geschäft gepassts hätte.
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Miller will zum Präsidenten: Alles beenden, aber auch selbstbewusst auftreten
  • Am Ende will er zum Präsidenten und dem die Geschichte erzählen. Seine Frau soll alles vorbereiten:
  • Du wirst mir meinen rothen plüschenen Rock ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner Excellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu seiner Excellenz: Dero Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta! – Ich heiße Miller.
  • Hier zeigt sich Miller als selbstbewusster Bürger seiner Zeit: Er erkennt an, dass seine Tochter nicht nach oben heiraten kann, aber er will auch nicht, dass sie nach unten abgleitet. Am Ende steht das selbstbewusste Bekenntnis zu sich selbst.

Szene I,2: Teil 2 des Problems: Da ist noch ein „Widersacher“

Stufe 1: Wurms Ansprüche und Millers gespaltene Reaktion

  • Die Szene beginnt mit dem Auftritt des bei Hofe einflussreichen Sekretärs Wurm, der auch ein Auge auf die Tochter des Musikers geworfen hat und sich nun damit konfrontiert sieht, dass diese mehr Interesse an dem adligen Major Ferdinand von Walter hat.
  • Darauf reagiert er mit deutlichen Worten:
  • Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushälter nähren kann; der Präsident ist mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich höher poussieren will. Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel herumgeholt –
  • Miller reagiert darauf seltsam gespalten:
  • Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an – wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie glücklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf – noch besser – – in Gottes Namen wollt' ich sagen – so stecken Sie den Korb ein und trinken eine Bouteille mit dem Vater – Das Mädel muß mit Ihnen leben – ich nicht. – Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?
  • Auf der einen Seite bleibt er bei der Absprache – andererseits stellt er die Zusatzbedingung, dass Luise damit auch einverstanden sein muss.

 

Millers Ausbruch: Plädoyer für echte Liebe

  • Daraufhin kommt es zum Eklat, als der Sekretär ernsthaft den Vater um Schützenhilfe bittet: „Ein väterlicher Rath vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?“
  • Miller, der schon vorher deutlich machte, dass ihm der Sekretär nicht sehr sympathisch ist, bricht jetzt regelrecht los und zeigt, dass er eine sehr moderne Vorstellung von Liebe hat, die viel mit Gefühlen zu tun hat.
  • Da! hinter dem Rücken des Vaters muß er sein Gewerb an die Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater und Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt, – oder selber kommt, dem Vater zu Füßen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet – Das nenn' ich einen Kerl! das heißt lieben! – und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll – – auf seinem Gänsekiel reiten.
  • Es ist klar, dass der Sekretär eine solche Demütigung nicht hinnimmt, und sich empfiehlt, d.h. grüßend verschwindet. Den Schluss bildet dann die wiederholte Kritik Millers an seiner Frau.


Szene I,3: Teil 3 des Problems: Die innere Lage der „Heldin“

Luise sieht ihre Liebe als Geschenk Gottes

  • Die dritte Szene beginnt ganz ruhig – mit einem innigen Austausch von Gedanken und Gefühlen zwischen Vater und Tochter, die gerade aus der Kirche kommt. Deutlich wird, dass beide damit sehr unterschiedliche Vorstellungen verbinden: Während Miller eher erwartet, dass Luise sich in die göttliche und damit auch gesellschaftliche Ordnung fügt, hat Luise ein sehr viel eigensinnigeres Gottesbild: „Ich hab' keine Andacht mehr, Vater – der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte – ich fürchte – (Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt. – Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?
  • Luise glaubt also, dass gerade ihre Liebe zu Ferdinand im Sinne Gottes ist und sie damit auch ihm eine Freude macht.
  • Anschließend beschreibt sie in enthusiastischen Worten, was die Liebe ihr bedeutet: „Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah – (rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Atem lispelte: er ist's! – und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals – o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, daß sie niemals so schön war. Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt.“

 

Der Vater resigniert – Luise hofft auf das Jenseits

  • Während der Vater demgegenüber resigniert: „Luise – teures – herrliches Kind – nimm meinen alten mürben Kopf – nimm Alles – Alles! – den Major – Gott ist mein Zeuge – ich kann dir ihn nimmer geben“ - rettet Luise sich in die Hoffnung auf ein Jenseits, das alle irdischen Grenzen aufhebt:
  • „Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge Thautropfen Zeit – schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig auf. Ich entsag' ihm für dieses Leben. Dann, Mutter – dann wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen – wenn von uns abspringen all die verhaßten Hülsen des Standes – Menschen nur Menschen sind – Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so oft gesagt, daß der Schmuck und die prächtigen Titel wohlfeil werden, wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann reich sein. Dort rechnet man Tränen für Triumphe und schöne Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter – Was hätte er dann noch vor seinem Mädchen voraus?“
  • Dramatisch überaus passend kündigt sich jetzt der Geliebte an.Neuer Text

Szene I,4: Ein seltsam egomanischer und romantischer Liebhaber setzt sich durch

Ferdinand will nur kurz schauen, wie es Luise geht

  • Dieser Ferdinand, der Luises Ein und Alles ist, präsentiert sich in dieser Szene etwas seltsam: „Und liebt mich meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein – Du bist's nicht.“
  • Eher eifersüchtige Fragen enden damit, dass er gewissermaßen nur kurz auftanken und dann gleich wieder seiner Wege gehen will.
  • Er wird dann noch deutlicher – mit klarem und sehr egoistisch wirkendem Besitzanspruch:
  • „Du bist meine Luise. Wer sagt dir, daß du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muß. Wärest du ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine Vergleichung zu machen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick – in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe? – Schäme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Jüngling gestohlen.“

 

Ferdinand sieht keine Probleme, glaubt an seinen Adel und braucht Luise als Gegenmittel

  • Es folgt der stolze Hinweis auf seinen Adel, aber auch auf eine besondere Funktion der Liebe zu Luise – sie ist ein Art Kontrastprogramm zum verkommenen Hof und speziell den Untaten seines Vaters.
  • „wer kann den Bund zweier Herzen lösen, oder die Töne eines Accords auseinander reißen? – Ich bin ein Edelmann – Laß doch sehen, ob mein Adelbrief älter ist, als der Riß zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gültiger, als die Handschrift des Himmels in Luisens Augen: dieses Weib ist für diesen Mann? – Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer, als die Liebe, kann mir die Flüche versüßen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird?“

 

Ferdinands Zukunftsprogramm – ganz auf ihn als Retter abgestellt

  • Dann entwirft auch Ferdinand ein glorioses Zukunftsprogramm, allerdings mit deutlich irdischerem Akzent und mit erneutem starkem egoistischem Akzent:
  • „Ich fürchte nichts – nichts – als die Grenzen deiner Liebe. Laß auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Luisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Luise nur reizender machen. – Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich selbst – ich will über dir wachen, wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde – Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr – Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen – empfangen für dich jede Wunde – auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude – dir ihn bringen in die Schale der Liebe. (Sie zärtlich umfassend.) An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben hüpfen; schöner, als er dich von sich ließ, soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehn, daß nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte –„
  • Luise ist aber anscheinend so voller Liebe, dass sie nur das Positive, das Unbedingte sieht und sich davon anstecken lässt:

„Du hast den Feuerbrand in mein junges, friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden.“

Szene I,5: Die Gegenseite – ein neues Problem: Ferdinand soll politisch heiraten

Wurm hat den Präsidenten informiert – dieser reagiert gelassen

  • In der fünften Szene wechselt der Schauplatz – jetzt kommt die Gegenseite ins Spiel, die Welt des Präsidenten, die schon auf unterschiedliche Weise angekündigt worden ist: Durch Miller, der beim Präsidenten bürgerlich-selbstbewusst für Klarheit sorgen will, durch den Sekretär, der seinen Einfluss nutzen kann, und schließlich durch Ferdinand, der andeutet, dass sein Vater einige Leichen im Keller hat.
  • Tatsächlich beginnt die Szene damit, dass Wurm den Präsidenten auf die unstandesgemäße Liebe seines Sohnes hinweist. Das wird aber eher für ein hilfreicher Ausflug in die Welt des Erotischen gesehen, der die Chancen des jungen Mannes auch bei der Frauenwelt des Hofes steigen lässt.
  • Aber sieht Er, mein lieber Wurm – daß mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, daß ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das Mädchen ist schön, sagt Er; das gefällt mir an meinem Sohn, daß er Geschmack hat. Spiegelt er der Närrin solide Absichten vor? Noch besser – so seh’ ich, daß er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen. Er kann Präsident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich! Das zeigt mir an, daß er Glück hat. – Schließt sich die Farce mit einem gesunden Enkel – unvergleichlich! So trink’ ich auf die guten Aspecten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die Scortationsstrafe für seine Dirne.
  • Was der Bürger Miller am meisten fürchtet, ein uneheliches Kind, ist hier eine lässliche Sünde, die man mit Geld aus der Welt schaffen kann.

 

Der Präsident will seinen Sohn politisch verheiraten – will die Konfrontation

  • Als Wurm dann aber echte Probleme andeutet, wird auch der Präsident ernsthaft und warnt seinen Sekretär, zu sehr eigene Ziele zu verfolgen. Ihm könne es doch gleichgültig sein, ob er eine Jungfrau bekommt oder nicht, was der Sekretär dann doch pikiert beantwortet mit: „Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger Herr.“
  • Ein neues Element kommt ins Spiel, als der Präsident seinen Plan auf den Tisch legt, seinen Sohn aus politischen Gründen mit der Mätresse des Landesherrn zu verheiraten. Die Erklärung gegenüber dem Sohn soll dann zugleich zeigen, ob an Wurms Warnungen etwas dran ist oder nicht.

Szene I,6: Der Präsident bringt über den Hofmarschall seinen Plan in Gang

Der Hofmarschall als typisches Produkt des Hoflebens

  • Diese Szene bringt eine neue Figur ins Spiel, den voll ins Hofleben, aber auch ganz nur von ihm lebenden Hofmarschall, eine lächerliche Figur, die aber jetzt zum Transport wichtiger Neuigkeiten genutzt wird:
  • „so hab' ich doch eine bessere Zeitung für Sie – Dass Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen gewiss etwas Neues?“ (22,7/8)
  • Der doppelte Auftrag schafft vollendete Tatsachen und bedroht Ferdinand und Luise real
  • Er bekommt dann einen doppelten Auftrag: Zum einen soll er „die Lady auf seinen [Ferdinands] Besuch präparieren“ und außerdem „den Entschluss meines Ferdinands in der ganzen Residenz bekannt machen.“
  • Der Hofmarschall rauscht begeistert ab – der Präsident macht sich noch einmal klar, dass er damit seinen Sohn vor vollendete Tatsachen gestellt hat, aus denen er kaum heil herauskommen kann. Bezeichnend ist dann, dass der Sekretär Wurm den Sohn hereinbitten darf – nur noch zum Empfang seines Urteils gewissermaßen.

Szene I,7: Klarstellungen zwischen dem Präsidenten und seinem Sohn

Parallele Frage: Diesmal des Präsidenten gegenüber dem „Gram“ des Sohnes

  • (22,28-23,6) Die Szene beginnt mit der kritischen Frage des Präsidenten, warum sein Sohn so voller „Gram“ ist, er soll statt dessen lieber voll bei der gemeinsamen Karriereplanung mitspielen.

 

Hinweis des Präsidenten auf seine verbrecherischen Karriere-Leistungen

  • (12,7-23,18): Der Präsident geht angesichts des Widerstrebens seines Sohnes noch einen Schritt weiter und offenbart ihm, dass er sogar vor der „Hinwegräumung meines Vorgängers“ nicht zurückgeschreckt ist.

 

Entsetzen Ferdinands und Bereitschaft zur kompletten Trennung vom Vater

  • (23,19-23,33): Ferdinand reagiert entsetzt, was seinen Vater noch weiter provoziert. Er betrachtet seine verbrecherischen Aktivitäten als lohnende Investition in die Zukunft seines Sohnes, für die er bitteschön dankbar sein sollte.
  • (23,34-24,27): Ferdinand entsagt dann feierlich diesem Erbe und nennt den Präsidenten einen „abscheulichen Vater“. Anschließend stehen sich die Konzeptionen des Im-Staube-Kriechens (bei Verzicht auf Karriere) und des scheinbar glücklichen „Um-den-Thron-herumkriechens“ gegenüber.

 

Die beiden gegensätzlichen Glücksbilder: Karriere gegen Herzensglück

  • Der Präsident „verbeißt seinen Zorn“ und zeigt dem Sohn noch mal die ganzen Vorteile der Karriere auf, dieser entwirft ein Gegenbild mit Verzicht auf die ganzen negativen Begleiterscheinungen: „Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben.“ Hier taucht bezeichnenderweise damit der Schlüsselbegriff des Sturm und Drang.

 

Der Heirats-Test mit Alternative wird zur Falle für Ferdinand

  • (24,28-26,12): Hier reagiert der Präsident noch entspannter, ja sogar positiv, indem er den Ausbruch seines Sohnes seiner Jugend zuschreibt und ihm einfach eine seiner Meinung nach passende Partnerin an die Seite stellen will, die Lady Milford. Ferdinand reagiert empört mit Hinweis auf deren Vorgeschichte, er möchte gewissermaßen – ganz im Sinne des bürgerlichen Denkens – eine jungfräuliche Braut.
  • (26,13-27,4) Erneut reagiert der Präsident freundlich und präsentiert ihm einfach einen Ersatzvorschlag, eine Gräfin. Damit sitzt Ferdinand in der Falle: „Es war nicht die Person, sondern die Heirat, die du verabscheutest?“

 

Ultimative Forderung des Präsidenten -> Besuch bei Lady Milford

  • (27,5-27,33) Der Präsident reagiert entsprechend gereizt und autoritär: Er verlangt ultimativ, dass der Sohn sich in seinem Sinne zur Lady begibt, andererseits droht er ihm schlimme Folgen an, auch für die Geliebte.

 

Ultimative Entschlossenheit des Sohnes -> Besuch bei Lady Milford

  • Ferdinand, halb „betäubt“, halb auf der Flucht, reagiert auf ganz eigene Weise, indem er aus der ihm aufgezwungenen Not eine Tugend in seinem Sinne macht. Er ist bereit, zur Lady zu gehen, aber: „Ja! ich will zu ihr – will hin – will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten – Nichtswürdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst – Im Angesicht des versammelten Adels, des Militärs und des Volks – Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands – Ich verwerfe dich – ein deutscher Jüngling!“

 


Zusammenfassender Rückblick auf die Exposition des I. Aktes

  • Das heißt: Die Exposition ist abgeschlossen: Der „Handel“, von dem Miller sprach, ist wirklich „ernsthaft“ geworden – auf drei Ebenen:
  • einmal auf der familiären,
  • dann der der Konkurrenz zwischen Wurm und Ferdinand
  • und schließlich auf der zwischen dem Präsidenten und seinem Sohn, die sogar den Herzog einschließt.
  • Als neues Moment ist noch die Lady ins Spiel gekommen – und die unterschiedlichen Erwartungen des Präsidenten und Ferdinands, was seinen Besuch bei ihr angeht, bestimmen dann den zweiten Akt.



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