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Hesse, "Resignation" und Benn, "Reisen"


Hermann Hesse, "Resignation" - Vergleich mit Gottfried Benn "Reisen"

Die meisten Leute kennen Gottfried Benns Absage an das Reisen, von dem man sich vergeblich "Wunder und Weihen" erhofft, aber am Ende nur "Leere" bekommt. Weniger bekannt dürfte Hermann Hesses Gedicht "Resignation" sein, das auch dem Reisen keine "Erfüllung" zuspricht. Die Frage ist, ob diese Ähnlichkeit auch den Kern der jeweiligen Aussage trifft.
Zu den Schlüsselstellen bei Hesse:
U.a. zu finden in Editionen für den Literaturunterricht. unterwegs sein. Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart, Texte mit Materialien, ausgewählt von Arnhild Nachreiner, Klett: Stuttgart 2018, S. 45
  1. Schon der Titel "Resignation" klingt negativ - hier hört jemand auf zu kämpfen, vielleicht auch zu hoffen.
  2. Hinter dem Lyrischen Ich liegen "viele Wege" - angesichts der Erfahrungen (keine "Erfüllung") ist es ihm relativ gleichgültig, wohin der letzte Pfad geht.
  3. Was bleibt ist das Gefühl einer inneren Richtung, einen "steilen Berg" hinan. Das ist immer wieder mit "neuem Leid" verbunden, nicht mit einer "neuen Lust".
Zu den Schlüsselstellen bei Benn:
U.a. zu finden in Editionen für den Literaturunterricht. unterwegs sein. Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart, Texte mit Materialien, ausgewählt von Arnhild Nachreiner, Klett: Stuttgart 2018, S. 48
  1. "Zürich" als mögliches Wunschziel wird reduziert auf fehlender "Wunder und Weihen". Das heißt letztlich: Überall ist es ähnlich, was ganz der Aussage in der 4. Zeile von Hesses Gedicht. Allerdings gibt es hier die Einschränkung "immer".
  2. Der exotische Ort Habana auf Kuba wird ebenfalls reduziert - und sogar noch intensiver: Aus dieser Speise des Minnas erwächst keine Speisung in der eigenen "Wüstennot".
  3. Und auf den Straßen einer der angesagtesten Städte der Welt fällt einen nur die "Leere" an.
  4. Am Ende steht die Erkenntnis, dass das "Fahren" vergeblich ist und am Ende die Erfahrung steht, worauf es wirklich ankommt, nämlich "bleiben" und "stille bewahren" das "sich umgrenzende Ich" - also den Kern des eigenen Wesens, der sich abgrenzen muss. Hier kann man an Goethes "anverwandeln" denken als positive Variante: Sich abgrenzen, aber auch das eine oder andere in sich aufnehmen und anpassen an das Eigene.
Vergleich der beiden Gedichte:
  1. Beide Gedichte warnen vor falschen Hoffnungen, was das Reisen angeht.
    1. In Hesses Gedicht heißt es in 05/06 ganz deutlich, dass keiner der Pfade, die man beschritten hat, "Erfüllung" gebracht habe.
    2. Bei Benn gibt es "Wunder und Weihen" (I,3) zumindest nicht "immer" (I,4). Das klingt noch ein bisschen besser als im ersten Gedicht, aber es gibt eben auch kein "ewiges Manna" (also eine Art Himmelsnahrung) für die "Wüstennot" des Menschen. Und überall fällt einen die "Leere" an.

  2. Was anders ist, ist die Situation des Lyrischen Ichs:
    1. Bei Hesse geht es um den "letzten Pfad" - hier denkt man an die Zeit unmittelbar vor dem Tod. Entscheidend ist nicht der äußere Weg, sondern der innere - und der geht immer einen "steilen Berg hinan" und bringt "Leid" und keine neue "Lust". Was das letztlich bedeutet, lässt Hesse offen - das entspricht auch ganz dem Titel: Es geht um "Resignation", also eher ein negativer Rückblick auf das Bisherige. Wie es auf dem "steilen Berg" dann letztlich weiter geht, bleibt offen. Auf jeden Fall ist Hesses Gedicht mehr auf Dynamik angelegt.
      In gewisser Weise könnte man Hesses Gedicht "Stufen" als positive Ergänzung zu diesem Gedicht sehen.
    2. Bei Benn geht es weniger um "Resignation" als um "Konzentration" - auf das Wesentliche. Das ist ähnlich wie Hesses "Zeiger in der eignen Brust" - nur dass das nicht so negativ gesehen wird. Insgesamt wirkt das Gedicht statischer.

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