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Gedichte zu Farben, z.B. blau


Farben als Thema von Gedichten - z.B. Farbe "blau"

Im Folgenden wollen wir ein paar Gedichte vorstellen, die sich mit Farben beschäftigen - eins stammt sogar aus dem Deutschunterricht. Daran zeigen wir, wie man selbst solche Gedichte verfassen kann.

Conrad Ferdinand Meyer
Heilige Bläue

O du heil'ge Bläue,
Immer freut aufs Neue
Mich der stille Glanz.
Abgrund ohne Ende!
Himmlisches Gelände,
Seele, tauche unter ganz!

(1896)


Anmerkungen zu dem Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer
  1. Schon der Titel macht deutlich, dass es nicht einfach nur um eine Farbe geht, sondern dass das Blau in diesem Falle eine besondere, vielleicht sogar überirdische Bedeutung hat.
  2. Der Titel wiederholt sich dann in der ersten Zeile, allerdings in Form einer Anrede.
  3. Es folgen zwei Zeilen, die zusammengehören: Hier geht es um die Gefühle des Lyrischen Ichs beim Anblick dieser Farbe, die mit dem Attribut "still" näher charakterisiert wird und in einen Zusammenhang mit "Glanz" gestellt wird.
  4. Dann kommt allerdings etwas sehr Überraschendes, ja sogar Bestürzendes: Was mit dieser Farbe gegeben ist, wird als "Abgrund ohne Ende" bezeichnet. Wenn man drüber nachdenkt und auch die folgenden Zeilen hinzunimmt, merkt man aber, dass das hier nicht so offensichtlich negativ gemeint ist.
  5. Es geht offensichtlich um einen "Abgrund", wie ihn auch ein "Himmlisches Gelände" darstellt: Wer in den Himmel schaut - ohne Wolken -, der kann schon das Gefühl der Endlosigkeit haben.
  6. In der letzten Zeile spricht das Lyrische Ich die eigene Seele an mit der Aufforderung, in diesen himmlischen Abgrund einzutauchen - und zwar ganz.
  7. Dieses Gedicht kann man leicht der Neoromantik zuordnen, d.h. Meyer schreibt hier wie ein Romantiker, nur eben Jahrzehnte nach dem Ende der Epoche.
Theodor Däubler

Frieden

Das blaue Meer verliebt sich in das Leben,
Und tausend Augen sind uns wohlgesinnt:
Ja, schon beginnt der Hauche Tausch, der Kräuselwind!
Und lauter Herzen fangen an zu beben.

Bald wird das Meer sich wohl zum Ufer heben.
Die kleinste Welle, die als Schaum zerrinnt,
Die Spitzenschleier um die Erde spinnt,
Mag sich dann irgendwo und ganz ergeben.

Ein blauer Schmetterling hat sich verloren.
Im Blauen draußen find ich ihn nicht mehr:
Hat ihn der Strand als sein Geschenk erkoren?

Mein Herz, Dir werde nicht auf einmal schwer!
Bestimmt hast Du bereits ein Lied geboren,
Nun sing Dich aus, am traumhaft blauen Meer.

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Zu dem Gedicht gibt es auf der folgenden Seite weitere Infos:
Anmerkungen zu dem Gedicht von Theodor Däubler
  1. Hier geht es weniger um die Farbe Blau als um das Meer - beides steht aber in einem engen Zusammenhang.
  2. Das Meer ist zudem eng mit dem Leben verbunden, vor allem, wenn auch noch Wind dazukommt.
  3. In der zweiten Strophe geht es dann um das vom Wind bewegte Meer. Das Lyrische Ich stellt sich vor, wie der "Spitzenschleier", der sich dabei ergibt, "um die Erde spinnt", also letztlich sich im Endlosen verliert - es ist ja am Ende von "sich ergeben" die Rede.
  4. Das erste Terzett (drei Zeilen statt vier wie bei den Quartetten am Anfang) geht es um einen Schmetterling, der sich auch "verloren" hat, aber natürlich nicht im Endlosen, sondern in der Nähe. Das Lyrische Ich stellt sich vor, dass "der Stand " sich diesen Schmetterling "als sein Geschenk erkoren" (= ausgewählt) hat. Wahrscheinlich ist damit wohl das Ende eines Lebewesens gemeint - im Kontrast zur Ewigkeit des Meeres.
  5. Das zweite Terzett bietet denn auch Trost - und zwar dadurch, dass Herz sich "aussingen" kann - angeregt vom "traumhaft blauen Meer".
Fabian Grodkowsky

Du und deine Farbe

Blau war dass Meer für dich
und manchmal auch für mich
Wir liebten auch die Berge
ihr stummes Ferne-Sein
Du liebtest auch die Zwerge
Für dich war alles blauer Schein
Mein letzter Brief an dich, auch blau
Danach da war mein Leben grau..


Wie kommt man auf ein solches Gedicht?
Fabian hat uns damals einiges dazu gesagt:
  • Ausgangspunkt war tatsächlich eine Freundin, die die Farbe Blau liebte.
  • Dann aber hat er sich von eigenen Erfahrungen gelöst und einfach überlegt, was alles zu dieser Farbliebe gehören kann.
  • Schließlich kam es ihm darauf an, zunehmende Distanzierung anzudeuten, wie es bei solchen einseitigen Leidenschaften schon mal passieren kann.
  • Dann brauchte er nur noch den Gegensatz von "blau" zu "grau" und das Gedicht war fertig.
  • Ein schönes Beispiel, wie man beim Gedichtemachen von eigener Erfahrung ausgehen kann - dann aber lässt man der Fantasie ihren Lauf.

Anmerkungen zum Gedicht von Fabian Grodkowsky
  1. Im Deutschunterricht war die Aufgabe gestellt worden, selbst mal zu überlegen, was einem zur Farbe Blau einfällt und das in ein Gedicht zu fassen.
  2. Ein Schüler hat dabei an eine Beziehung gedacht, die vor allem durch eine Farbe geprägt war. Dementsprechend taucht das Wort auch ganz am Anfang auf und wird dann erst mal mit dem Meer verbunden.
  3. In einem zweiten Schritt geht es um "blaue Berge", wie sie ja auch zum Teil in Liedern und Geschichten präsentiert werden. Dabei entsteht die Farbe durch entsprechende Luftschichten, was eine gewisse Entfernung voraussetzt.
  4. Im nächsten Schritt geht es um Zwerge, man kann nur vermuten, dass auch sie durch blaue Farbe in Erinnerung geblieben sind.
  5. Die beiden Schlusszeilen machen dann deutlicher, was schon vorher vermutet werden konnte: Das Blau hat hier zwei Menschen nicht auf Dauer und immer enger zusammengeführt, sondern getrennt. Am Ende wollte das Lyrische Ich noch einmal nett sein und achtete beim letzten Brief auch noch mal auf die Lieblingsfarbe der Freundin.
  6. Dann aber setzt sich die Realität durch und aus der Farbe Blau wird die Farbe "Grau".
Karoline von Günderode
Hochrot

Du innig Rot,
Bis an den Tod
Soll meine Lieb Dir gleichen,
Soll nimmer bleichen,
Bis in den Tod,
Du glühend Rot,
Soll sie Dir gleichen

Anmerkungen zum Gedicht von Karoline von Günderode
  1. Auch hier beginnt es gleich mit einer Anrede - direkt an die Farbe, die mit "innig" verbunden wird, also einer engen und tiefgehenden Verbindung.
  2. Es folgen drei Zeilen, die ein Treueversprechen enthalten: Die Beziehung soll der Farbe entsprechen und vor allem niemal "bleichen", also an Intensität verlieren.
  3. Dann wird der Tod noch einmal aufgenommen. Diesmal geht es aber nicht nur bis zu seinem Rand, sondern in ihn hinein.
  4. Das heißt: Selbst im Tod noch gibt es diese intensive Farbe und die entsprechende intensive Liebe.
Fabian Grodkowsky

Ende gut, alles rot

Die Ampel war rot,
zum Glück keiner tot.
Auch die Bühne ganz rot
gespielt nur der Tod
Die Sonne geht unter,
auch ich wieder munter.
Im milden Rot des Abendlichts
Pommes weiß-rot
sonst brauche ich nichts



Nachdem wir jetzt rechts auf die Entstehungsgeschichte eingegangen sind, schauen wir uns nun mal hier das Gedicht als "Kunstwerk" genauer an:
  1. Der Titel ist schon mal insofern künstlerisch, als er eine sprichtwörtliche Wendung abwandelt.
  2. Dann drei Situationen, die alle etwas mit der Farbe "Rot" zu tun haben und nach dem Prinzip zunehmender Erleichterung aneinandergereiht sind. Auf die potenziell gefährliche Missachtung einer roten Ampel folgt ein Tod, der nur im Theater gespielt wird.
  3. Beim Sonnenuntergang wird dann explizit hervorgehoben, dass jetzt endgültig Munterkeit angesagt ist.
  4. Das dort fehlende Rot wird dann in der nächsten Zeile in neuem Zusammenhang nachgeholt.
  5. Am Ende dann ein bisschen Joke, wenn so getan wird, als ob man tatsächlich nur eine Pommes mit Ketchup und Mayonnnaise bräuchte.
  6. Hier hat der Dichter wohl vorwiegend die Überraschung des Lesers im Sinne. Vielleicht soll aber auch eine Art Wohlgefühl auf einfachster Basis dargestellt werden.
Anmerkungen zum Gedicht von Fabian Grodkowsky
  1. Nachdem Fabian mit einem Gedicht zur Farbe Blau viel Zustimmung bekommen hatte, wurde er von seinen Mitschülern unter Druck gesetzt: "Einmal ist keinmal!", "Mach's noch einmal Fab" und Ähnliches mehr bekam er zu hören.
  2. Darauf setzte er sich tatsächlich hin und lieferte in der nächsten Stunde das Gedicht links ab. Schauen wir es uns einmal genauer an:
  3. Der Titel sei erst am Ende entstanden - Ausgangspunkt waren Situationen, in denen die Farbe Rot eine Rolle spielt.
  4. Als erstes fiel ihm eine rote Ampel ein.
  5. Dann eine Bühne, auf der der tödliche Degenstoß glücklicherweise nur auf Schweineblut traf.
  6. Als nächstes ging es dann über zum Abendrot.
  7. Dann war nur noch ein Schluss zu finden. Glücklicherweise saß er im Bus, hatte Hunger und kam nach dem Aussteigen an einer Pommes-Bude vorbei.
  8. Was ihm während des Schreibens aufgefallen war: Das Gedicht beginnt ja mit der schlimmstmöglichen Situation eines möglicherweise tödlichen Verkehrsunfalls, dann wird alles zunehmend ruhiger, ja angenehmer. Da fehlte eben nur noch ein entsprechender Schluss, auf den er dann auch noch kam.
  9. Geschrieben hat Fabian das Gedicht übrigens tatsächlich im Bus - wozu gibt es schließlich Smartphones.
  10. Und wer denkt, das Gedicht "mache" nicht viel Sinn, der sollte sich mal manch berühmtes Gedicht genauer anschauen, ob es nicht auch im Bus oder in einer Postkutsche entstanden ist und fertig war, bevor der Dichter sein Ziel erreichte.

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