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Milena Moser, "Der Hund hinkt"


Milena Moser, "Der Hund hinkt" - eine Kurzgeschichte, in der so ziemlich alle nicht richtig gehen (können)

Die Geschichte ist u.a. zu finden in:
Erfahrene Erfindungen. Deutschsprachige Kurzgeschichten seit 1989, ausgewählt und mit Materialien versehen von Sabine Grunow (Editionen für den Literaturunterricht), Ernst Klett Schulbuchverlag,  Leipzig 2004, ISBN: 978-3-12-351010-6, S. 14-19
Anmerkungen zu der Geschichte:

  1. Die Kurzgeschichte beginnt mit der knappen Beschreibung eines normalen Familiensonntagsspaziergang.
  2. Sehr schnell wird als Problem deutlich, dass der mitgenommene Hund hinkt, was vor allem die Mutter nicht thematisiert haben möchte.
  3. Sie kommt immer noch nicht damit klar, dass ihr Mann diesen Hund nach einem Unfall mehr oder weniger von der Straße aufgelesen und dann in die Familie eingebracht hat.
  4. Offensichtlich fehlt ihr ein vergleichbares Maß an Zuwendung.
  5. Ihren Frust lässt sie auf eine sehr autoritäre Weise an ihrem Mann aus, der in der Woche im Beruf auf seine Art und Weise wiederum hart gegenüber seinen Sekretärinnen auftritt.
  6. Als ein weiteres Problem kommt hinzu, dass die Mutter sehr auf Ordnung achtet und auch vor diesem Hintergrund dieser Hund eher als Element von Unordnung empfunden wird.
  7. Im Gegensatz zu ihrem realen Verhalten versucht die Mutter an einer Stelle plötzlich, auf die Schönheit der Natur aufmerksam zu machen.
  8. Dass dies aber mehr gewollt als gefühlt ist, zeigt sich gleich danach, als sie am Friedhof vorbeikommen, wo ein Sohn der Familie beerdigt ist, der in jungem Alter an Krebs gestorben ist.
  9. Auch in diesem Zusammenhang greift die Mutter ihren Mann an, der sich angeblich mehr um den Hund als um das Kind gekümmert hat.
  10. Ihre ganze Selbstbeherrschung bricht dann zusammen, als sie am Ende des Spaziergangs feststellen müssen, dass der Landgasthof, den sie angesteuert haben, Betriebsferien hat und der Vater diese Panne auch noch explizit seiner Frau vorhält.
  11. Am Ende wird aus der Sicht der Tochter als Ich-Erzählerin deutlich, dass wohl alle nur noch darauf warten, dass auch dieser Sonntag möglichst bald vorbei geht.
  12. Parallel zu der beschriebenen Problematik hat die Ich-Erzählerin noch das Problem, dass ihr in der Schule ein Zettel zugesteckt worden ist, in dem ein anderer Junge ihr angeblich seine Zuneigung gesteht. Sie will darauf auf jeden Fall positiv eingehen, offensichtlich braucht sie außerhalb dieser Familiensituation Freundlichkeit und Nähe.
  13. Bezeichnend ist, dass der Vater sich durchaus für die Angelegenheit interessiert, aber die Ich-Erzählerin hat dann doch den Eindruck: "wie er im Geist seine Liste abhakt: "Mit Kind gesprochen - Interesse gezeigt - Zuneigung demonstriert."

  14. Insgesamt zeigt die Kurzgeschichte eine sehr verfahrene Familiensituation, in der niemand gegenüber dem anderen wirklich freundlich sein kann, weil er jeweils sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Der gemeinsame Ausflug am Sonntag wird mer erlitten als genossen.
  15. Vor diesem Hintergrund erscheint der Titel der Kurzgeschichte etwas "frag-würdig", durchaus auch im besten Sinne des Wortes. Klar ist, dass in dieser Familie so ziemlich jeder "hinkt". Von daher könnte man den die Überschrift zum Beispiel abändern in: "Der Hund hinkt, und nicht nur er".


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