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Lernvideo: Analyse von Kurzgeschichten (Schaubild)


Lernvideo: So analysiert man leicht und sicher eine Kurzgeschichte (mit Schaubild)

  • Viele Schüler sind ganz verzweifelt, wenn sie ständig neue Checklisten bekommen. Da stehen dann jede Menge Punkte drin, die sie beachten müssen.
  • Wir schlagen etwas anderes vor, nämlich ein Schaubild der Abläufe, das man sich gut einprägen kann.
  • Wir stellen es in einem Video vor und erklären dort die einzelnen Schritte.
Das Youtube-Video ist hier zu finden:

Weiter unten präsentieren wir eine ausformulierte Fassung der Analyse und Interpretation.

Dokumentation herunterladen

Ausformulierte Musteranalyse der Kurzgeschichte - mit Tipps


Einleitung - Vorstellung des Textes und des Themas sowie Deutungshypothese

Muster-Analyse - ausformuliert zu

Hajo Frerich, “Wenn Schule ‘Schule macht’”

1.    [Einleitung:]
    • [Verwendung eines Formulars]
  • Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die Kurzgeschichte “Wenn Schule ‘Schule macht’” von Hajo Frerich, die im Internet auf der Seite https://www.endlich-durchblick.de/die-besten-kurzgeschichten-kurz-vorgestellt/frerichs-hajo-wenn-schule-schule-macht/ zu finden ist.
  • Das Datum der Veröffentlichung ist unbekannt.

2.    [Thema als Fragestellung]

  • In der Geschichte geht es um die Frage, inwieweit Absprachen und Regeln gültig sind.

3.    [Deutungshypothese als zu prüfende erste Idee im Hinblick auf die Aussage (Intention) der Kurzgeschichte]
    • [Tipp: Diese Deutungshypothese kann man erst formulieren, wenn man den Text der Kurzgeschichte genau gelesen hat und sich schon eine möglichst gute Vorstellung von der Aussage gebildet hat. Die kann später noch korrigiert werden, aber möglichst nur noch in Details, weil sonst die ganze Analyse in die falsche Richtung gegangen ist.
    • Also: Wenn man gleich losschreibt, dann erst mal diese Stelle frei lassen, aber dafür sorgen, dass das Füllen am Ende nicht vergessen wird]
  • Die Kurzgeschichte macht deutlich, dass es Absprachen geben muss, auf die man sich verlassen kann. Es muss aber auch eine Regelung geben, ob und wie sie nachträglich angepasst werden können.



Vorstellung der Sinnabschnitte und Herausarbeitung wichtiger Textsignale (Inhaltserläuterung)

4.    [Gliederung des Textes und Herausarbeitung der Signale u. z.T. künstlerischen Mittel ]
    • Tipp: Keine reine Wiedergabe des Inhalts, sondern herausstellen, was der Text präsentiert.

  • 1.    [Abschnitt 1: Einstieg: Das allgemeine Problem des Aufstehens]
  • Der Text beginnt in 1/2 mit dem allgemeinen Problem in einer Familie, die Tochter morgens rechtzeitig aus dem Bett zu bringen.

  • 2.    [Abschnitt 2: Zuspitzung des Problems an diesem Tag]
  • Ab Zeile 2 geht es dann um einen Tag, an dem es “besonders schlimm” wird, was eine Zuspitzung darstellt. Der Vater bekommt nur ein “gereiztes Stöhnen” (5) als Reaktion und entschließt sich deshalb, “gleich die ultimative Karte” (5) zu ziehen, indem er die Tochter an ihre Abmachung erinnert: Er weckt sie spät, sie steht dann gleich auf. Das “Ultimative” daran ist, dass der Vater damit seiner Tochter eine Art Vertrauensbruch signalisiert.

  • 3.    Ninas Antwort zeigt, dass sie hier ganz andere Vorstellungen hat als ihr Vater. Sie verweist auf eine These aus dem Politikunterricht der Schule, nach der Abmachungen “immer wieder neu verhandelt werden” ( 11/12) müssen.

  • 4.    Der Vater reagiert dann (12-14) erst mal entspannt bzw. konfliktmindernd, indem er ein zumindest kurzes Gespräch darüber anbietet, wenn sie rechtzeitig beim Frühstück erscheint.

  • 5.    [Abschnitt 3: Gespräch über den Vorfall beim Frühstück]
  • Aus dem Gespräch wird dann aber nicht viel, weil Nina sich auf das konzentriert, was in der Schule zu dem Thema besprochen worden ist. Entscheidend ist dabei, dass Abmachungen mit einem “Trick” (17) der Mächtigen gleichgesetzt werden, um ihre Macht zu behalten. Es sei “gerechter” (19), wenn “immer wieder neu verhandelt” (19) werde.

  • 6.    Der Vater reagiert in 20/21 ein zweites Mal sehr vernünftig und konfliktmildernd, indem er die weitere Diskussion darüber zurückgestellt und dem rechtzeitigen Ankommen der Tochter in der Schule den Vorrang gibt.

  • 7.    [Abschnitt 4: Ninas Bitte um einen Taschengeldvorstoß]
  • In den Zeilen 22-25 kommt es dann zu einer überraschenden Wende, weil Nina plötzlich erklärt, sie brauche einen Vorschuss auf ihr Taschengeld.

  • 8.    Das nutzt der Vater in den Zeilen 26/27, um die Taschengeld-Regelung, der gleichen Unverbindlichkeit auszusetzen wie bei der Frage des Aufstehens.

  • 9.    Die Geschichte endet mit zwei Hinweisen, dass Nina sich hier getroffen fühlt. Da ist zum einen ein “unendlich verblüfftes Gesicht” (28) und dann noch eine “Tür, die krachend ins Schloss fiel” (29/30). Man weiß als Leser nicht, ob sie sich nur ärgert, dass sie keinen Vorschuss bekommt, oder ob sie zumindest ansatzweise begriffen hat, dass ihre aus dem Politikunterricht übernommene These von der Notwendigkeit ständigen Neuverhandelns für sie auch Nachteile haben kann.


Bündelung der Textsignale zu Textaussagen (Intentionalität)

Die Kurzgeschichte zeigt:
1.    Dass hier zwei Rollen und entsprechende Interessen aufeinandertreffen.

2.    Der Vater fühlt sich gegenüber seiner wahrscheinlich minderjährigen Tochter in der Verantwortung (beim Wecken, aber auch beim Gespräch am Frühstückstisch) und setzt auf Kompromisse und entsprechende Abmachungen.
Sein Interesse ist, dass seine Tochter möglichst keine Probleme (beim pünktlichen Besuch der Schule) bekommt und indirekt damit auch für ihn als Erziehungsberechtigten produziert.

3.    Die Tochter überlässt die Verantwortung für das rechtzeitige Aufstehen dem Vater und macht es sich auf seine Kosten dabei auch noch leicht, indem sie Unlust und Ärger zumindest ansatzweise an ihm abreagiert.

4.    Deutlich wird auch, dass hier eine bestimmte Art von Spiel gespielt wird, bei dem beide Seiten versuchen, den Gegner oder das, was sie dafür halten nicht einfach gewinnen zu lassen. Deutlich wird das an der Wendung „ultimative Karte“ ziehen, die bei vielen Kartenspielen eine Rolle spielt und dabei über Sieg und Niederlage entscheiden kann.

5.    Der Vater agiert dabei eher rational und taktiert auch nach dem Motto: „Was ist in welcher Situation das beste Verhalten?“

6.    Die Tochter handelt demgegenüber sehr gefühlsbetont und nutzt auch das in der Schule Gelernte eher, ohne viel darüber nachzudenken.

7.    Am Ende gibt der Vater dann aber bei einer günstig erscheinenden Gelegenheit dann auch einen rein vernünftigen Ansatz auf und nutzt die Geldschwäche der Tochter, um die Problematik ihres Immer-neu-verhandeln-Ansatzes deutlich zu machen. Das hätte man auch anders machen können. Vielleicht ist das Vorgehen des Vaters aber auch wirksamer.


6.    Unterstützung der Aussagen durch künstlerische Mittel

1.    Der Gegensatz von „immer“ (1) und „diesmal“ in Verbindung mit „schlimmer“ (2) gleich am Anfang ist spannungssteigernd und zeigt, dass diese Kurzgeschichte nicht einfach nur den immer gleichen Alltag schildert, sondern einen Moment hervorhebt, der eine Wende bedeuten kann.
2.    Die Wendung „ultimative Karte“ (5) ist schon angesprochen worden. Diese Metapher soll deutlich machen, dass es hier durchaus um Gewinnen und Verlieren geht. Das Attribut „ultimativ“ unterstützt die Vorstellung vom Ernst der Lage aus der Sicht des Vaters.
3.    Die Wendung „kein Theater machen“ ist ebenfalls bildlich gemeint und unterstreicht auch den Ernst der Lage im Vergleich zu irgendwelchen Spielchen, die man sich gönnen kann, wenn man nicht gleich den Bus erreichen muss.
4.    Das „Ach Papa“ (10) zeigt eine Kombination von familiärer Freundlichkeit und einer gewissen Herablassung, verstärkt durch den Hinweis auf den Politiklehrer als Autorität in gesellschaftswissenschaftlichen Fragen.
5.    Wichtig ist die zweimal wiederholte rhetorische Frage: „Was sollte man  … dazu sagen?“ (12 und 20). Sie verdeutlicht das Bemühen um Rationalität beim Vater. In weiten Teilen des Geschehens wirkt er eher nachdenklich, auch wenn dabei nicht mehr rauskommt als Zurückhaltung.
6.    Der Begriff „Trick“ (16) in der Argumentation Ninas hat die Funktion der Abwertung, der Komparativ „gerechter“ (19) stellt demgegenüber eine Aufwertung dar. Auch ein drittes Element der Beeinflussung ist vorhanden, nämlich das völlige Ausblenden aller mit dem Ansatz des ständigen Neu-Verhandelns verbundenen Probleme.
7.    „Übrigens“ in Zeile 23 enthält das Moment der Überraschung soll auch den Eindruck erwecken, als ginge es um eine Nebensächlichkeit. Damit und vielleicht auch verbunden mit dem Zeitdruck möchte Nina sich eine gute Basis verschaffen für die Befriedigung ihres Wunsches nach einem Vorschuss.
8.    Das sprachliche Bild in Zeile 26 („rutschte es ihm einfach raus“) zeigt, dass das Bemühen um Vernunft beim Vater doch eher künstlich war und seine wirklichen Gefühle unterdrückt wurden. Jetzt sieht er die Chance eines schnellen rhetorischen k-o.-Schlags und nutzt sie auch.
9.    Die Anrede „Meine Liebe“ ist in diesem Zusammenhang eher ironisch zu verstehen.
10.    Danach wird nicht mehr geredet, sondern es gibt nur noch zwei ausdruckstarke Signale aus dem Bereich der Körpersprache: Da ist einmal „ein unendlich verblüfftes Gesicht“ (28/29) bei der Tochter und eine „Tür, die krachend ins Schloss fällt“ (29/30). Hier sieht man das Ergebnis von Körpersprache.

7.    Interpretation: Inwieweit handelt es sich um eine Kurzgeschichte?

1.    Besonders bei Kurzgeschichten ist die Gattungsfrage meistens interessant, denn es gibt fließende Übergänge zum Beispiel zu Anekdoten, Kalendergeschichten oder sogar Novellen (vgl. das Video zu „Sommerhaus später“).

2.    Das Kurze an Kurzgeschichten wird unabhängig von der Länge vor allem daran sichtbar, dass auf eine Einleitung verzichtet wird. Auch in dieser Geschichte wird direkt eingestiegen.

3.    Ein zweites Kennzeichen der Kurzgeschichte ist eine knapp geführte Haupthandlung, wie sie hier auch auf das Wesentliche reduziert worden ist. Meistens handelt es sich um Alltagsprobleme, was auch hier der Fall ist. Häufig geht es allerdings nicht um die ewige Wiederkehr des Gleichen, sondern um ein Moment, in dem es auch eine Wende geben könnte.

4.    Damit sind wir auch schon beim offenen Ende, denn man weiß nicht, ob die Tochter durch den Hinweis des Vaters auf ihr Taschengeld schon begriffen hat, dass im Leben regeln eine Rolle spielen, auf die man sich verlassen können muss.

5. Insgesamt also eine recht typische Kurzgeschichte, die aber am Ende nicht weit von einem gut gemeinten Witz entfernt ist. Auf jeden Fall bricht die Kurzgeschichte an einer Stelle ab, an der noch viel passieren muss, bis man weiß, in welche Richtung sich alles weiter entwickeln könnte.


Hinweise auf weitere Infos und Tipps:




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