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Wedekind, "Brigitte B." Inhaltsangabe

Wie schreibt man eine Inhaltsangabe? Am Beispiel der Ballade "Brigitte B." von Frank Wedekind

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Frank Wedekind

Brigitte B.

Ein junges Mädchen kam nach Baden,
Brigitte B. war sie genannt,
Fand Stellung dort in einem Laden,
Wo sie gut angeschrieben stand.

Die Dame, schon ein wenig älter,
War dem Geschäfte zugetan,
Der Herr ein höherer Angestellter
Der königlichen Eisenbahn.

Die Dame sagt nun eines Tages,
Wie man zu Nacht gegessen hat:
Nimm dies Paket, mein Kind, und trag es
Zu der Baronin vor der Stadt.

Auf diesem Wege traf Brigitte
Jedoch ein Individium,
Das hat an sie nur eine Bitte,
Wenn nicht, dann bringe er sich um.

Brigitte, völlig unerfahren,
Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin.
Drauf ging er fort mit ihren Waren
Und ließ sie in der Lage drin.

Sie konnt’ es anfangs gar nicht fassen,
Dann lief sie heulend und gestand,
Daß sie sich hat verführen lassen,
Was die Madam begreiflich fand.

Dss aber dabei die Turnüre
Für die Baronin vor der Stadt
Gestohlen worden sei, das schnüre
Das Herz ihr ab, sie hab’ sie satt.

Brigitte warf sich vor ihr nieder,
Sie sei gewiß nicht mehr so dumm;
Den Abend aber schlief sie wieder
Bei ihrem Individium.

Und als die Herrschaft dann um Pfingsten
Ausflog mit dem Gesangverein,
Lud sie ihn ohne die geringsten
Bedenken abends zu sich ein.

Sofort ließ er sich alles zeigen,
Den Schreibtisch und den Kassenschrank,
Macht die Papiere sich zu eigen
Und zollt ihr nicht mal mehr den Dank.

Brigitte, als sie nun gesehen,
Was ihr Geliebter angericht’,
Entwich auf unhörbaren Zehen
Dem Ehepaar aus dem Gesicht.

Vorgestern hat man sie gefangen,
Es läßt sich nicht erzählen wo;
Dem Jüngling, der die Tat begangen,
Dem ging es gestern ebenso.
Am besten macht man sich erst mal den Inhalt der Strophen klar:

  1. Brigitte B. kommt nach Baden und findet in einem Laden eine Stellung, in der es für sie gut läuft.
  2. Ihre Arbeitgeber sind eine schon etwas ältere Dame und ein höherer Angestellter der Eisenbahn.
  3. Eines Tages bekommt sie den Auftrag, ein Paket zu einer Baronin vor der Stadt zu bringen.
  4. Auf dem Weg dorthin trifft sie aber einen Mann, der ihr mit dem Tod droht, wenn sie sich ihm nicht hingibt.
  5. Sie tut das auch, allerdings mehr aus Mitleid, muss ihm aber das Paket überlassen.
  6. Hinterher hat sie ein schlechtes Gewissen und gesteht ihrer Arbeitgeberin, was geschehen ist. Die kann das nachvollziehen.
  7. Was sie Brigitte aber nicht verzeiht, ist das Verschwinden des Pakets.
  8. Brigitte bittet um Nachsicht, gibt sich dann dem Mann wieder hin.
  9. Als ihre Herrschaft mal unterwegs ist, lässt sie ihren Geliebten ins Haus.
  10. Dieser lässt sich alles zeigen und macht dann den Kassenschrank leer.
  11. Brigitte verschwindet anschließend.
  12. Am Ende wird sie genauso festgenommen wie ihr Geliebter.
Als nächstes fasst man das Geschehen kurz zusammen und geht dabei von der Hauptfigur aus.

(Einleitung mit allgemeinen Angaben und Vorstellung der Hauptfigur)
In der Ballade "Brigitte B. von Frank Wedekind (das gehört immer in die Einleitung) geht es um eine junge Frau, die in Baden eine gute Anstellung findet.

(Überleitung zur Entwicklung auf der schiefen Bahn - die Nummern stehen hier nur, um die einzelnen Schritte zu verdeutlichen)
  1. Auf die schiefe Bahn gerät sie, als sie bei einem Auftrag unterwegs auf einen Mann stößt, der sie nicht nur sexuell nötigt, sondern ihr auch das Paket, das sie einer Baronin bringen soll, abnimmt.
  2. Hinterher gesteht Brigitte ihrer Arbeitgeberin alles und bekommt auch eine zweite Chance. Sie lässt sich dann aber doch wieder mit dem Mann ein und lässt ihn sogar in das Haus ihrer Herrschaft, als diese abwesend ist.
  3. Ihr Geliebter nutzt die Gelegenheit und macht den Kassenschrank leer, ohne Rücksicht auf Brigitte zu nehmen. 
(Hinweis auf die Schlusssituation)
Diese verschwindet daraufhin, wird aber festgenommen, ebenso wie ihr Freund.

(Sonderfall: Ausnahmsweise wird eine wichtige Stelle am Rand hier ausgewertet, obwohl das normalerweise nicht die Aufgabe der Inhaltsangabe ist, dir nur klare Fakten nennen soll. Dies gehört aber in diesem Falle auch zum Inhalt.)
Am Ende wird nur kurz angedeutet, dass Brigitte wohl auf ihrer Flucht ziemlich heruntergekommen sein muss. Über ihr weiteres Schicksal erfährt man nichts.

Schönes Beispiel für die Notwendigkeit von Hypothesenbildung

Das ist übrigens ein schönes Beispiel für die sog. "Hypothesenbildung" bei der Interpretation von Texten und besonders Gedichten.
Die bedeutet immer, dass man erst mal eine Idee hat und die dann überprüft. Ob sie 100prozentig stimmt, kann man nie sicher wissen, man kann der "Wahrheit" aber durch gutes Überlegen und Begründen ziemlich nahe kommen.

In diesem Falle hat der Verfasser sich wohl absichtlich mit einer Andeutung begnügt, die den Leser zwingt, sich selbst auszudenken, was damit gemeint ist:

Vorgestern hat man sie gefangen,
Es lässt sich nicht erzählen wo;
Dem Jüngling, der die Tat begangen,
Dem ging es gestern ebenso.

Möglicherweise ist Brigitte in einem Bordell gelandet, was häufig das Schicksal von Mädchen war, die - nach Meinung der damaligen Gesellschaft - "auf die schiefe Bahn" geraten waren.
So etwas deutete man aber nur an und sprach lieber nicht davon. Wedekind nimmt hier möglicherweise dieses Missverhältnis zwischen Realität und Sprechweise auf die Schippe oder besser: aufs Korn.


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