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Goethe, "Harzreise im Winter" - Auswertung einer wissenschaftlichen Interpretation


Goethe, "Harzreise im Winter" - Auswertung einer Interpretation des Goethezeit-Portals

Wir wollen hier zeigen, wie man auch schon in der Schule eine "extrem" wissenschaftliche Interpretation auswerten und für den Unterricht nutzen kann.
"Extrem" ist dabei für uns so etwas wie Champions-League - man steht staunend davor, kann es nutzen, muss es aber (als Schüler) nicht nachmachen.

Der Text ist hier zu finden:

Wer Lust hat: Ein kleiner Selbst-Test vorab

  1. Welche Erwartungen löst der Titel ("Harzreise im Winter") beim Leser aus?
    Kleiner Tipp:
    Es geht um ein deutsches Mittelgebirge mit dem "Brocken" und seinen 1141 Meters als höchsten Berg.
    Es geht um Winter.
    Und es geht um eine Reise.
  2. Welche Erwartungen werden schon beim ersten Lesen erfüllt und welche eher nicht?
  3. Inwiefern kann man den Eindruck gewinnen, dass es in dem Gedicht nicht nur um einfaches Reisen, sondern um die "Lebensreise" geht?
  4. Und noch konkreter: Wie kann man auf den Gedanken kommen, dass in diesem Gedicht der winterliche Harz "ein Bild für die allgemeine Beschaffenheit der Welt" ist und der "abseitige und gefahrvolle Reiseweg" für eine "göttlich vorherbestimmte 'Lebensbahn'" steht?
  5. Wie sehen die beiden sehr unterschiedlichen Lebenswege aus, die in diesem Gedicht präsentiert werden?
  6. Wie kann man auf den Gedanken kommen, dass das "raue Wild", "die Sperlinge" und die "Reichen" das "Leben der Glücklichen", so der Autor dieser Interpretation, veranschaulichen?
  7. Inwieweit gibt es Signale im Text, die einen auf den Gedanken bringen können, dass Goethe, der ja selbst den Brocken bestiegen hat, hier sich auch selbst ein Denkmal setzt als Dichter, der auch bei der (Lebens-)wanderung sein Ziel erreicht?
  8. Was ist von der These des Autors zu halten, dass der "Menschen-Verächter" (39) und der "Dichter" (65) als zwei unterschiedliche Wanderer-Darstellungen "den Anfangs- und Endzustand eines Prozesses" darstellen, "in dessen Verlauf sich ein Glückloser mit seinem Lebenslos (bzw. dem dafür verantwortlichen Gott) aussöhnt", was dann zu einem "Symbol für die Überwindung einer psychischen Krise" wird?
  9. Wo gibt es im Text Signale, die auf Krankheit und Heilung hindeuten?
  10. Inwieweit entspricht der im Gedicht erwähnte Gott dem christlichen Gott der Liebe und inwiefern auch nicht?

Tipps zum Umgang mit schwierigen Texten - am Beispiel des ersten Abschnittes

Nach dem Abdruck des Gedichtes gibt es zunächst Informationen zum biografischen Hintergrund, die wir aber erst mal überlesen, weil wir solche literarischen Texte nicht als historische Dokumente lesen wollen, sondern als künstlerische Texte, mit denen wir als Leser etwas anfangen können.

Am Beispiel des ersten Absatzes der Interpretation kann man dann schon zeigen, welche Schwierigkeiten es bei solchen Texten gibt und wie man sie umgehen kann, um trotzdem etwas für sich herauszuholen.
Wir präsentieren das Zitat gleich in aufgeteilter Form, weil man dann die Hemmungen eher verliert, sich damit zu beschäftigen.

"2. Rezeptionslenkende Funktion der Überschrift
 Gemeint ist damit, dass die Überschrift des Gedichtes den Leser schon in eine bestimmte Richtung lenkt, d.h. sie bestimmt, wie er es "aufnimmt" (lateinisch: rezipere = aufnehmen)
  1. Durch die Gedichtüberschrift „Harzreise im Winter“ werden beim Leser sogleich zwei Schemata aufgerufen;"
    • Hier ist der Begriff "Schemata" sicher erst mal ein Hindernis, das man erst mal übergehen sollte - oder man nimmt es einfach ganz normalsprachlich als Plural von Schema. Das bedeutet dann, dass da ein erstes und ein zweites Schema im Kopf des Lesers abgerufen werden.
  2. "zum Einen der Frame ‚Harzlandschaft im Winter‘, eine Szenerie, die als unabdingbare (Kern-)Elemente die Gegebenheiten ‚Berge‘ und ‚Schnee‘ umfasst;"
    Hier wird das erste Schema erklärt, es wird als "Frame" bezeichnet, was soviel heißt wie Rahmen.
    Wenn man nachschlägt, bekommt man bei Wikipedia die folgende Erklärung:
    "Die Frame-Semantik beruht auf der Einsicht, dass sich die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks (z. B. eines Wortes) nur erfassen lässt, wenn man über das entsprechende Weltwissen verfügt. Entscheidend ist hierbei in der Frame-Semantik die Annahme, dass dieses Weltwissen in sogenannten Frames organisiert ist. Frames sind demnach Wissensrahmen, die sich auf der Grundlage von Erfahrungen gebildet haben. Frames haben innerhalb des Verstehensprozesses die Funktion, verstehensrelevantes Wissen einzuspeisen und zu organisieren."
    https://de.wikipedia.org/wiki/Frame-Semantik
    Wichtig ist "Weltwissen", d.h. es geht darum, was man unter "Harzlandschaft im Winter" normalerweise versteht. Man hat wohl ein Bild im Kopf, das eben "Berge" und "Schnee" enthält.
  3. "zum Andern das Skript ‚Reise‘, das sich in seiner abstraktesten Form aus den Sequenzelementen ‚Aufbruch‘, ‚Zurücklegen einer Wegstrecke‘ und ‚Ankunft‘ (bzw. auch ‚Nicht-Ankunft‘) zusammensetzt."
    Jetzt taucht ein neuer Begriff auf, nämlich "Skript". Das kennt man von Film-Skripten, wo genau beschrieben wird, wie sich entsprechende Szenen und Sequenzen aneinanderreihen.
    Und das passt hier natürlich auch, weil es nicht um einen "Frame", eher ein Bild, sondern eben um einen Vorgang, einen Ablauf geht.
  4. "Die Kombination dieser beiden Schemata weckt (mindestens) die Erwartung, dass in Goethes Gedicht der Verlauf einer Reise dargestellt wird,"
    Jetzt wird das zusammenfassend ausgewertet, indem die beiden Schemata zusammengefasst werden:
    Es geht um eine Reise und ihren Verlauf ...
  5. deren durch ein winterliches Gebirge führende Wegstrecke etappenweise mit besonderen Anstrengungen und Gefahren verbunden sein kann."
    die natürlich Stationen hat - und hinzu kommt noch, dass man Berge und Schnee eben mit "Anstrengungen und Gefahren" verbindet.

    Was haben wir also jetzt erreicht?
    1. Wir haben gesehen, dass man sich von einigen Fremdwörtern nicht abschrecken lassen sollte.
    2. Außerdem haben wir ein schönes Beispiel kennengelernt, wie man die Erwartungen beschreiben kann, die beim Leser entstehen, wenn er die Überschrift eines Gedichtes liest.
Was haben wir also jetzt erreicht?
  1. Wir haben gesehen, dass man sich von einigen Fremdwörtern nicht abschrecken lassen sollte.
  2. Außerdem haben wir ein schönes Beispiel kennengelernt, wie man die Erwartungen beschreiben kann, die beim Leser entstehen, wenn er die Überschrift eines Gedichtes liest.

Erweiterung um die Aspekte von "Veranlassung" und "Absicht"

  • Nachdem geklärt worden ist, dass die Überschrift die Erwartung weckt, den Verlauf einer Reise präsentiert zu bekommen, die durch winterlichtes Gebirge führt und es dabei um besondere Anstrengungen und Gefahren geht,
  • wird das im nächsten Abschnitt noch um eine Ebene erweitert, nämlich die Frage der "Veranlassung" und der "Absicht" der Reise.
  • Dabei taucht das Fremdwort "pragmatische Präsuppositionen" auf. Damit ist man tief in der Germanistik angekommen. Wenn man nach dem Begriff "Präsuppositionen" sucht, findet man in Wikipedia die folgende Definition:
    "Der Ausdruck Präsupposition (von lateinisch praesupponere ‚voraussetzen') bezeichnet in der Sprachphilosophie und in der Linguistik eine implizite Voraussetzung. " Damit ist gemeint, dass man eben mit einer Harzreise im Winter Schnee und Berge verbindet. Denn das wird nicht explizit (ausdrücklich) benannt. "Pragmatisch" bedeutet dabei, dass es um das Sprachhandeln geht, um das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit, in der man eben auch durch Sprache "agiert" (handelt).
  • Wichtig ist, dass die damit verbundenen Erwartungen eine Rolle beim Verständnis des Gedichtes spielen.
  • Halten wir fest: Wenn man sich den Abschnitt anschaut, merkt man, dass die beiden Fremdwörter nachschlagen kann, aber nicht muss, um zu verstehen, dass hier das Erwartungsschema noch um "Veranlassung" und "Absicht" erweitert wird.

"Konkretisierung der durch die Überschrift aufgerufenen Schemata"

  • In diesem Schritt geht es um die Frage, inwieweit sich die Erwartungen des Lesers, die durch die Überschrift ausgelöst worden sind, im Gedicht erfüllen.
  • Hier sieht der Verfasser in den Strophen I und III schon erste Elemente: Vom "Geier" bis hin zum sich im "Schauer" drängende Pelzwild.
  • Dazu zählt er auch die "Spatzen" und die "Reichen", die die "Sümpfe" als Winterquartiere nutzen.
  • Allerdings stellt er einschränkend fest, dass das ja schon vor dem Einbruch des Winters geschehen sein muss, also keine Ereignisse während der im Gedicht beschriebenen Reise sind.
  • Echte Geschehnisse sieht der Verfasser nur zwei: Zum einen der Wanderer, der sich "abseits" "ins Gebüsch verliert"
  • und außerdem den "Dichter", der "durch die Furten bei Nacht" und "über grundlose Wege auf öden Gefilden" (also unter unangenehmen bis gefährlichen Umständen) schließlich auf seinen Berg gelangt.
  • Interessant der Hinweis, dass es also zwei gegensätzliche Verläufe gibt, einen, bei dem man verschwindet, und einen anderen, bei dem man an sein Ziel gelangt.

"Semantisierung der Reise als Symbol eines besonderen Lebenslaufs"

  • Diesen relativ kurzen Abschnitt müssen wir uns wieder mal unter Verständnisgesichtspunkten genauer anschauen.
  • Dementsprechend zerlegen wir ihn wieder in wichtige Teil-Elemente und erläutern sie:
  • Beginnen wir mit der Überschrift des Kapitels:
    "Semantisierung der Reise als Symbol eines besonderen Lebenslaufs"
    "Semantisierung" = kommt von "semantisch" = die Bedeutung von Wörtern oder Zeichen betreffend
    Gemeint ist wohl, dass der Reise eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird.
  • "Bevor ab der fünften Strophe die eigentliche Darbietung der doppelten ‚Harzreise im Winter‘ beginnt, wird das Reise-Skript zunächst als ein komplexes Symbol codiert."
  • Hier gibt es erst mal einen Verweis auf die fünfte Strophe und schon mal die Vorankündigung einer doppelten Reise in diesem Gedicht.
  • Dann wird behauptet, dass das "Reise-Skript", also der Ablaufplan der Reise zu einem komplexen Symbol, also Sinnbild verarbeitet wird - wie die Taube zum Zeichen des Friedens.
  • "Beim Lesen der Strophen II und IV kommt es zu einer assoziativen Verschmelzung der durch die Überschrift aktivierten Schemata mit einer auf die antike Mythologie anspielenden Lebenslauf Metaphorik:"
  • Dabei spielt die antike Mythologie eine besondere Rolle, die ein Bild des Lebenslaufs bietet, das im Gedicht mit den anfangs genannten Schemata der Winterwelt und der Reise verbunden wird.
  • "Der winterliche Harz erhält die Konnotation, ein Bild für die allgemeine Beschaffenheit der Welt zu sein; der abseitige und gefahrvolle Reiseweg erscheint als göttlich vorherbestimmte ‚Lebensbahn‘."
  • Das wird dann aufgeschlüsselt:
    Bild des winterlichen Harzes steht für die "allgemeine Beschaffenheit der Welt"
    Der Reiseweg erscheint als "göttlich vorherbestimmte 'Lebensbahn'.
  • Hier versteht man nun besser, was Semantisierung heißt, nämlich eine Überhöhung der Bedeutung, wie es bei Symbolen eben der Fall ist. Letztlich bedeutet das die These, dass sowohl die Gegend als auch die Reise in diesem Gedicht eine symbolische Bedeutung haben.

"Klassifikation der Figuren"

  • Hier geht es um die Auswertung der Strophen II und IV, die nach Meinung des Autors "eine Art Grundordnung der erzählten Welt" ergeben.
  • Das kann man einfach nachlesen und am eigenen Text verfolgen. Im wesentlichen geht es um die zwei verschiedenen Lebensweg-Varianten, die für Menschen gegeben sind, nämlich die des Unglücklichen und die des Glücklichen.
  • Worauf man selbst wohl nicht so schnell kommt, ist die Interpretation der "Sperlinge" und der "Reichen" - hier wird einiges aus dem Gedicht aufgeführt, das für einen guten Zustand steht.
  • Was die andere Seite angeht, ist eigentlich nur interessant, dass die Hypothese vertreten wird, dass zwar von einem "Aufbegehren" gegen den vorgezeichneten Weg ins Verschwinden und Vergessen nicht direkt die Rede ist, aber eine positivere Entwicklungssicht gibt es nach Meinung des Autors beim zweiten Winterreisenden, der als "Besteiger des Brockens mit seiner Bestimmung in Einklang" zu sein scheint. Auch er geht über "grundlose Wege" - kommt aber doch ans Ziel.
  • Hinzukommt die Interpretation, dass diese gute Variante durch "göttliche Lenkung" erreicht wird, was der erfolgreiche Gipfelbezwinger am Ende durch einen "Altar des lieblichsten Danks" honoriert.
  • Als eine wichtige Voraussetzung für dieses glückliche Ende wird aber auch die Dichter-Existenz dieses Bergwanderers gesehen. Verwiesen wird hier auf die "Psalmen" und das am Anfang genannte "Lied". Das sichert dann auch, dass "sich die Spur seiner Erdentage vorerst nicht 'verliert'".

"(Vorläufige) Bestimmung der zentralen Zustandsveränderung"

  • Wie es sich für echte Wissenschaft gehört, wird jetzt erst mal eine Art Zwischenbilanz gezogen.
  • Entscheidend ist in diesem Abschnitt, dass der Autor den "Menschen-'Verächter'“ (V.39) und den 'Dichter' (V.65) als eine personelle Einheit" ansieht. Als Begründung wird auf die 9. Strophe verwiesen, wo "vom einsamen" erst im Hinblick auf den "Verächter" gesprochen wird, dann aber schnell zum Dichter übergeleitet wird.
  • Daraus wird die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich hier um einen "Anfangs- und Endzustand eines Prozesses" handelt, "in dessen Verlauf sich ein Glückloser mit seinem Lebenslos (bzw. dem dafür verantwortlichen Gott) aussöhnt."
  • Die Brockenbesteigung wird dann nach Meinung des Autors "zu einem Symbol für die Überwindung einer psychischen Krise". Er geht sogar so weit, am Ende eine "gottähnliche Stellung" des Dichters "über der erstaunten Welt" zu sehen.
  • Dieser Abschnitt macht deutlich, wie wichtig es für eine vertiefte Interpretation ist, Hypothesen zu entwickeln  und möglichst gut abzusichern.
  • Hilfreich ist dabei sicher der Beginn der 6. Strophe, wo von Heilung die Rede ist - und die kann sich ja nur auf jemanden beziehen, der krank ist.
  • Und in Zeile 46 folgt die Bitte an den "Vater der Liebe" im Hinblick auf den Kranken: "So erquicke sein Herz!" Außerdem ist in diesem Zusammenhang von einem "Psalter" die Rede, also einem dichterischen Werk, das zwar von Gott kommt, aber "Seinem Ohr vernehmlich" ist.

"Einordnung der Zustandsveränderung in eine übergeordnete Makrosequenz"

  • Wenn man so eine Überschrift liest, muss man immer erst mal durchatmen und sich an das halten, was man schon kennt: In diesem Falle ist es die Zustandsveränderung - und das bezieht sich auf das Lyrische Ich, das wohl dem Dichter gleichzusetzen ist und sich auf dem Brocken in eine positive Sicht der eigenen Existenz hineingerettet hat.
  • Und "Makrosequenz" heißt nichts anderes als eine übergeordnete, größere Folge.
  • Das Weitere ist dann sehr kompliziert und wohl für Insider formuliert. Was wir aber erkennen - vor allem an einer schönen Liste des Ablaufs der Erkrankung mit den Stationen:
    - "Verursachung": Hier werden Vers 36 und 38 aufgeführt.
    - "Symptome": Hier geht es um die Verse 35, 37, 40 und 42.
    - "Hilfeappell": Vers 44, 46, 47, 60, 62, 64
    - "Maßnahmen des Helfers": 65- 67, 60, 71-74,
    - "Wirkung": Das Lyrische Ich erreicht den Gipfel und ist dabei künstlerisch produktiv; es sträubt sich nicht mehr gegen die vorgegebene Lebensbahn, überwindet "Selbstsucht" und "Menschenhaß" und gehört so schließlich zu den "Glücklichen".
    - "Danksagung": Hier verweist der Verfasser auf den Psalmengesang, der für das Lyrische Ich "lieblichster Dank" ist.
  • Was die letzten drei Punkte angeht, bei denen "Gott" eine große Rolle spielt, sieht der Verfasser hier die größte Herausforderung für den Leser, um das zu verstehen. Dementsprechend widmet er diesem Thema anschließend noch ein eigenes Kapitel.

8. "Identität des Gottes"

  • Hier geht es um die Frage, ob der "Vater der Liebe" mit dem christlichen Gott identisch sei, was die bisherige Forschung vorwiegend angenommen habe.
  • Hier sieht der Verfasser aber Schwierigkeiten, da von dieser Instanz im Gedicht nicht nur Gutes ausgeht, etwa "Gift" (36).
  • Dazu kommt das Problem: "Der angesprochene Gott soll Eigenschaften fördern (Übermut, Mordsucht, „Rache“-Streben), die zu christlichen Werten wie Demut und Nächsten- bzw. gar Feindesliebe in Gegensatz stehen."

9. "Art der Heilmaßnahmen"

Auch hier hat der Verfasser Bedenken, weil hier "einem Ungenügend mittels schönen Scheins (eben nur) abgeholfen wird."
Und die Voraussetzung dafür ist seiner Meinung nach "eine zum Wahn gesteigerte Einbildungskraft".
In diesem Zusammenhang sieht der Verfasser das "Wintergrün", das er - abgeleitet von einem Eintrag in einem deutshen Wörterbuch - für Efeu hält, auch kritisch. Es steht einerseits für "ewigen Ruhm", andererseits aber auch für "Zerstörungsgewalt und Vergänglichkeit ".
Schließlich sieht er sogar Parallelen zwischen der Versuchung Jesu durch den Teufel im Neuen Testament und der Liebesversuchung im Gedicht.

10. "'Therapeutische Effekte'"

Hier sieht der Verfasser vor allem das Problem, dass der Dichter in dem Gedicht keineswegs von seinem "Menschenhaß" geheilt werde. Immerhin wählt er für sein Lied einen Jagdvogel und bezieht auch später "Brüder der Jagd" ein.
Schließlich kommt der Autor zu dem Schluss:
"dass der dargestellte Dichter, um über die Vergänglichkeit triumphieren zu können, einen Bund mit dem ‚Teufel‘ eingeht: er sich, wie später der Doktor Faust, einer misogynen [frauenfeindlichen] „Kraft“ überlässt, die zwar zu künstlerisch-geistiger Produktivität verhilft, gegen die natürlich gezeugte „Tier- und Menschenbrut“ aber die „kalte Teufelsfaust [...] ballt!“

Auswertung der Hinweise zur Biografie am Anfang der Interpretation

Wie selbst schauen uns möglichst immer erst den Text des Gedichtes an und stellen alle Überlegungen zum Autor und zum biografischen Kontext des Gedichtes zurück - denn Kunst entsteht ja immer im Auge des Betrachters - und da darf sich nichts zwischenschieben.

Das heißt aber nicht, dass nicht der biografische Kontext auch interessant sein kann.

Schauen wir uns mal an, was der Autor in diesem Falle zu bieten hat:

Weite Teile sind von Conrady übernommen (was natürlich angemerkt wird). Interessant sind dann allerdings die Hinweise auf verschiedene Deutungen des Gedichtes und auch auf einen gewissen Streit darüber, ob biografische Bezüge überhaupt einbezogen werden sollten.

Wir setzen das hier noch fort ...


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