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Hesse, "Gegenüber von Afrika"


Im Folgenden interpretieren wir ein Gedicht von Hermann Hesse.

Da es urheberrechtlich noch geschützt ist, füllen wir die einzelnen Zeilen nicht, sondern erläutern sie nur.


Hermann Hesse

 

Gegenüber von Afrika

  • Der Titel klingt erst mal recht ungewöhnlich.
  • Er soll wohl einen Ort und eine Situation beschreiben, wo man zumindest mit dem inneren Auge einen Sehnsuchtsort sieht
  • Afrika steht also für ein Ziel, das möglicherweise nie vollkommen erreicht wird, aber einen immer wieder zumindest kurzzeitig glücklich macht und weiter vorantreibt – so wird es im Gedicht zumindest deutlich.

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  • In den Zeilen 1-3 ein Lob des Zuhause-Seins mit seinen entsprechenden Vorteilen.
  • Dann mitten in Zeile 3 der Stoßseufzler: „Aber ach,“ als Einstieg in ganz andere Situationen und Gefühle.

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  • In den darauffolgenden Zeilen wird die Situation geschildert, wenn man vom Wandern wieder nach Hause zurückgekehrt ist und einen die Ferne bald wieder lockt.
  • Dann wird ein Vergleich gezogen, der das „Heimweh“ in Kauf nimmt, wenn man dafür „unter den hohen Sternen“ mit seiner „Sehnsucht“ allein sein kann. Erstaunlich ist hier, dass das lyrische Ich gar nicht glaubt, in der Ferne ein Ziel erreicht zu haben – aber es scheint ihm auf jeden Fall besser, wenigstens unterwegs zu sein.

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  • In den Zeilen 9 bis 15 wird dann noch einmal verglichen, wobei die beiden Situationen des Zuhause-Seins und des Unterwegs-Seins noch einmal präziser beschrieben werden.
  • Dem Zuhausebleiben werden „Haben und rasten“ zugeordnet. Das erscheint nicht ganz konsequent, weil das „rasten“ ja eigentlich ein Luftholen beim Unterwegssein darstellt. Notwendig dafür ist für das lyrische Ich ein „Herz“, das „gelassen schlägt“, also eine ganz bestimmte innere Einstellung.
  • Das Wandern wird durchaus mit „Mühsal und Reisebeschwer“ verbunden, sogar mit „immer getäuschter Hoffnung“, was der bleibenden Sehnsucht in Zeile 8 entspricht.
  • Aber „alle Wanderqual“ erscheint dem lyrischen Ich leichter als „Friede finden im Heimattal“.
  • Noch einmal wird deutlich gemacht, dass man „in heimischen Freuden und Sorgen“ nur sein „Glück zu bauen weiß“, wenn man ein Weiser ist. Das entspricht dem weiter oben erwähnten gelassenen Herzen.

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·      Das Gedicht schließt mit einem persönlichen Bekenntnis des lyrischen Ichs, lieber „suchen und nie zu finden“, als „mich eng und warm an das Nahe zu binden.“

·      Das ist einfach eine Wertentscheidung, die jeder für sich treffen muss.

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  • Es folgt eine Begründung, die darauf hinausläuft, dass man „auch im Glücke“ nur „ein Gast und niemals ein Bürger werden“ kann.
  • Die Frage des Reisens oder Nicht-Reisens wird hier also ganz allgemein auf die Frage des Glücks übertragen. So wie man in ihm nie endgültig bleiben kann, so soll man wohl zumindest das kurzzeitige Glück, das das Reisen bietet, für sich nutzen.

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Das Gedicht zeigt

  1. Dass die Heimat und damit das Zuhause-Bleiben durchaus seinen Reiz haben kann,
  2. Dass dazu aber eine bestimmte innere Voraussetzung nötig ist, nämlich dass das „Herz gelassen schlägt“.
  3. Offensichtlich ordnet sich das lyrische Ich den Menschen zu, die von einer inneren Ruhe- und Rastlosigkeit getrieben werden, die – wohl im romantischen Sinne – als „Sehnsucht“ bezeichnet wird.
  4. Dabei wird durchaus anerkannt, dass das Unterwegssein mit vielen negativen Begleiterscheinungen verbunden ist, aber dem lyrischen Ich reicht es, wenn es „unter den hohen Sternen“ mit „seiner Sehnsucht allein“ ist.
  5. Letztlich geht es um eine innere Befindlichkeit, die am Ende aber im Hinblick auf das „Glück“ legitimiert wird, denn auch dort gebe es keine Genuss-Dauer, sondern nur ein kurzzeitiges Genießen als „Gast“.

Weiterführende Hinweise

Weitere Beispiele für erfolgreiches Verstehen von Gedichten finden sich hier:
https://wvm.schnell-durchblicken3.de/gedichte-sicher-interpretieren/

Weitere Beispiel für Gedichte zum Thema „Reisen“, „Unterwegssein“ oder auch „Fremdsein“: hier
https://wvm.schnell-durchblicken3.de/category/gedichte-sicher-interpretieren/reisegedichte/

Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
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Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier
https://www.schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/lernvideos



Zu unserer Vorgehensweise bei der Interpretation von Gedichten

  • Was macht das Lyrische Ich?
    Wie immer empfehlen wir, auf das zu achten, was das sog. "Lyrische Ich"
    eigentlich tut, wenn es etwas sagt. Und das ganze Gedicht ist ja nichts anderes als ein einziger Monolog.
  • Dann versuchen wir, die verschiedenen Signale zu bündeln, um Aussagerichtungen zu erkennen.
    Wichtig ist, dass man lückenhafte oder
    schwierige Stellen nur vorsichtig, also hypothetisch und möglichst mit Begründung mit Sinn füllt.
  • Im Sinne der Verstehenslehre der Hermeneutik, prüfen wir unsere Verständnisideen immer am Text und belegen sie möglichst weitgehend.
  • Wenn uns als Leser aus unserer Kenntnis anderer Texte etwas einfällt, so fügen wir das ein. Das sind aber dann keine Ergänzungen, die andere Leser auch einbringen müssen. Wir wollen nur deutlich machen, dass ein Gedicht ein Text ist, auf den man als Leser auch reagieren kann. Allerdings geht das dann schon über die Analyse hinaus in den Bereich der Interpretation.

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